Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Hintergrund: Leistungsschutzrecht

Das über den NITF-Feed der DPA in den „redaktionellen“ Teil „qualitätsjournalistischer“ Erzeugnisse gepresse Stück Fehlinformation und Propaganda, das vom Online-Focus unter dem Titel „Hintergrund: Leistungsschutzrecht“ veröffentlicht wurde, ist es wert, so schnell nicht vergessen zu werden. Auch, wenn das für den Alarmknopf eher ein Randthema ist, belegt dieser Text, wie durch nur scheinbar ausgewogene, aber in Wirklichkeit verzerrende Darstellungen in den (agentur)zentral organisierten Medien Stimmung bei uninformierten Menschen gemacht und politischer Druck aufgebaut wird. Es ist ein so gutes Beispiel der subtileren Propaganda, dass ich hier ein (teilweise gallig) kommentiertes Vollzitat dieser Massenmanipulation bringe, um den Sinn für solche Techniken zu schulen.

Der von der DPA verbreitete Propagandatext (mit meinen Anmerkungen)

Wer urheberrechtlich geschützte Musik oder Filme im Internet aus dubiosen Quellen herunterlädt, muss saftige Strafen befürchten.

Wie, geht es jetzt um nicht-lizierte Nutzungen von Werken im Sinne des Urheberrechts?

Mit dem Leistungsschutzrecht sollen nun auch Zeitungs- und Zeitschriftenverlage Geld dafür verlangen können, wenn ihre Online-Artikel und andere Beiträge kommerziell genutzt werden.

Aber mitnichten! Das ist nur ein Einsteiger gewesen, um einen Zusammenhang herzustellen, den es gar nicht gibt, damit die Leser des Textes verwirrt werden. Denn den Presseverlegern reicht das vom Urheberrecht für Werke garantierte Monopolrecht nicht aus; sie haben deshalb konzertiert und über Jahre hinweg darauf hingearbeitet, dass sie ein zusätzliches Sonderrecht bekommen. Diese planvoll vorangetriebene Vorgehensweise reflektiert vermutlich auch die verlagsinterne Einsicht, dass es sich bei den aus Agenturmeldungen zusammengeklöppelten Elaboraten namens „Tageszeitungen“ und „Zeitschriften“ sowie bei den zusätzlich im Internet angebotenen Zweitverwertungen dieser Elaborate eben nicht um Werke im Sinne des Urheberrechtes handelt, da diesen Einweg- und Wegwerfprodukten jegliche hierfür erforderliche Schöpfungshöhe fehlt. Das so genannte „Leistungsschutzrecht“ spiegelt also die Einsicht der dadurch Geschützten wider, dass ihre „Leistung“ von äußerst bescheidener Qualität ist. Dieser Einsicht mag ich nicht widersprechen.

Suchmaschinen und gewerbliche Nachrichtenportale könnten dann in Zukunft zur Kasse gebeten werden, wenn sie diese Berichte aufnehmen.

Was eine Suchmaschine ist, wissen wir alle. Zum einen ist es ein automatisiertes Programm, das offen zugängliche Inhalte im Web (und teilweise auch anderen Internetdiensten) durchscannt, wenn die Sitebetreiber nicht durch das Ablegen einer einfachen Textdatei namens robots.txt darum bitten, dass ihre Inhalte ausgeschlossen werden. Mit diesen Daten wird ein sehr nützlicher Dienst angeboten. Ein Mensch kann nach Begriffen suchen und bekommt Fundstellen aus dem Web (und teilweise auch anderen Internetdiensten) präsentiert. Wer in einer Suchmaschine gelistet ist, wird also nicht geschädigt, sondern bekommt zusätzliche Leser, die er ohne Suchmaschine nicht gehabt hätte. Das wissen die Verleger übrigens genau, was sich darin zeigt, dass sie erheblichen technischen Aufwand treiben, um in Suchmaschinen besser dazustehen. Dafür auch noch Geld zu wollen, ist eine Haltung, die man sich einmal in alltäglichen Situationen vorstellen muss, um ihre infantile Absurdität genießen zu können: Beim Bäcker ein Brötchen nehmen, und auch noch Geld dafür fordern, dass man jetzt ja das Brötchen genommen hat.

Ein „gewerbliches Nachrichtenportal“ ist genau was? Richtig, das weiß keiner. Eine Website ist in der Bundesrepublik Deutschland übrigens schon gewerblich, wenn sie auch nur eine einzige Werbung, einen einzigen vergüteten Artikel oder einen einzigen gekauften Link enthält. Wann eine Website zusätzlich ein „Portal“ ist, das „Nachrichten“ transportiert (zwei äußerst unscharfe Begriffe), werden Richter mit teilweise erschütterndem technischen Kenntnisstand entscheiden. Und zwar in dubio pro lobby.

Damit wollen sich die deutschen Pressehäuser ihre Leistung bezahlen lassen — nämlich, dass sie mit einigem technischem Aufwand und Geld ihre Inhalte – für die Nutzer kostenlos — ins Netz stellen.

Wer hat die „deutschen Pressehäuser“ denn auf die Idee gebracht, ihre „Inhalte“ ins Netz zu stellen? Wurden sie dazu gezwungen? Nein, das wurden sie nicht. Gab es einen anderen Grund? Richtig, sie sind selbst darauf gekommen. Sie wurden von niemanden darum gebeten. Sie haben sich zusätzliche Profitmöglichkeiten von dieser Zweitverwertung ihrer industriell erstellten Machwerke erhofft. Wenn diese Profite ausbleiben, ist das eine ganz gewöhnliche geschäftliche Fehlentscheidung, die korrigiert werden sollte — und nicht mit Lobbyarbeit zur Erzeugung absurder Sonderrechten in einen „Erfolg“ umgewandelt werden sollte.

Bisher ist Online-Werbung nahezu die einzige Geldquelle der Verlage im Netz.

Vor rund siebzehn Jahren ist das World Wide Web massentauglich geworden und das Internet hat sich seitdem in rasendem Tempo von einer akademischen Spielwiese mit hoher Anziehungskraft für Nerds in einen Bestandteil des Alltags verwandelt. In diesen fast zwei Jahrzehnten ist es den Presseverlegern nicht gelungen, ein seriöses und tragfähiges Geschäftsmodell für das Internet zu entwickeln.

Diese Erlöse reichen aber in den meisten Fällen nicht aus, um die Einnahmeverluste durch die nachlassenden Auflagen der gedruckten Blätter zu decken. Die Verleger hatten immer wieder — auch mit Unterstützung der schwarz-gelben Koalition – ein Ende der „Gratiskultur“ im Netz gefordert.

Deshalb stellen sich die Verleger jetzt, nachdem sie über ein Jahrzehnt lang ihre „Inhalte“ gratis angeboten haben, hin und fordern ein Ende der „Gratiskultur“. Jegliche Ähnlichkeit mit Witzfiguren ist rein zufällig.

Kritiker und Internet-Aktivisten befürchten, dass mit dem neuen Recht die Informationsfreiheit im Netz eingeschränkt wird.

Informierte Menschen wissen, dass unter der in der BRD schon bestehenden rechtlichen Überregulierung zum Nachteile der Mehrzahl der Menschen ein zusätzliches Standesrecht für Presseverleger die Informationsfreiheit im Netz weiter beschädigen wird, als das schon der Fall ist. Denn schon jetzt ist in der Abmahn- und Juratroll-Hölle der BRD der Betrieb noch der harmlosesten Website ein erhebliches persönliches Risiko, das für einen „gewöhnlichen“ Menschen schnell existenzbedrohend werden kann.

Das Leistungsschutzrecht drohe den Nachrichtenfluss empfindlich zu stören. Verleger stehe es ja frei, mit einem kleinen Griff zu verhindern, dass etwa Google ihre Inhalte in die eigene Datenbank aufnimmt. Auch könnten sie ihr Angebot hinter eine Bezahlschranke stellen.

Genau! Können sie. Und dann können sie mal schauen, ob jemand dafür bezahlen will. Journalistischen Produkten wie der Neuen Zürcher Zeitung oder der Spektrum der Wissenschaft gebe ich da durchaus eine gute Chance, denn diese liefern etwas, was man im (von „Qualitätsjournalisten“) so genannten „Qualitätsjournalismus“ mit seinem Mix aus Tittitainment und übernommenen Agenturmeldungen schmerzlich vermisst: Konstante, hohe Qualität. Und diese hat einen Wert, der einen Preis rechtfertigt.

Der Haken ist dabei, dass gerade die Suchmaschinen, die auf ihren Seiten mit kurzen Auszügen („Snippets“) auf die Artikel verweisen, Millionen Nutzer auf die Presse-Webseiten leiten. Sie tragen damit entscheidend zur Attraktivität der Online-Werbung bei.

Genau! Das ist der Grund! Deshalb soll Google auch noch zusätzlich über ein so genanntes „Leistungsschutzrecht“ abkassiert werden. Weil: Siehe eingangs mit den Downloads von Filmen und Musik. :mrgreen:

Die „Attraktivität von Online-Werbung“ ist übrigens so groß, dass jeder halbwegs informierte Mensch dankbar über die verfügbaren Werbeblocker für Webbrowser ist. Eine ganz tolle „Attraktivität“, die hier von der DPA herbeiphantaisiert wird.

Ich warte übrigens darauf, dass Google genau so reagiert wie vor einem Jahr in Belgien. Wie die Verleger dann reagieren werden, haben die belgischen Verleger ja schon einmal vorgemacht. In der BRD, die noch deutlich bananiger als das Königreich Belgien ist, wird dann vermutlich auf eine Gesetzgebung hingearbeitet, die Suchmaschinen zur Aufnahme von Verlagsprodukten zwingt. Zur kostenpflichtigen Aufnahme, versteht sich.

2 Antworten

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