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Medien

„Parship“ ist vor Hackern geschützt

Die Welt: Könnten Hacker ähnlich wie beim Seitensprung-Portal Ashley Madison auch bei Parship das System knacken und Kundendaten öffentlich machen?

Schiffers: Nein, so etwas kann bei Parship nicht passieren. Wir arbeiten mit sieben Sicherheitsstufen und lassen uns regelmäßig vom TÜV prüfen. Außerdem stehen unsere Server auf deutschem Boden.

Tim Schiffers, Chef von Parship, im Interview mit der springerschen Welt

Fühlt euch geschützt, ihr Nutzer!
Achtung, die folgende Bewertung kann Sarkasmus enthalten, weil ich anders nicht mit der Dummheit klarkomme.

  1. Die Server stehen auf deutschem Boden, deshalb kann kein Hack passieren. Ja, das wird ernsthaft behauptet. So wie… sagen wir mal… bei Immobilienscout24 der Scout24 Holding GmbH, damals eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG. Dieser sich kompetenzfrei in seinem Reklamelügenstreben um Kopf und Kragen redende Tim Schiffers will allen Ernstes die Menschen glauben machen, der geographische Standort eines mit dem Internet verbundenen Computers sei ein Schutz gegen „Hacker“. Zur Desillusionierung derer, die so einen offenbaren Bullshit auch nur ein bisschen zu glauben bereit sind, hier nur ein paar Links: klick, klick, klick… ach, sucht mal selbst weiter! Hackers hack, and they do not respect the borders people have drawn on maps long ago.
  2. Auch die Leute glauben zu machen, dass eine Untersuchung durch den TÜV vor Hacks schütze, ist ziemlich verlogen und/oder kompetenzfrei von Herrn Schiffers. Ein TÜV-Siegel haben unter anderem die folgenden schweren Sicherheitsrisiken und üblen Datenschleudern erhalten: Internet-Explorer 8 (hier nur eines seiner damaligen Probleme, falls es vergessen wurde), Click and Buy, das geprüfte und TÜV-zertifizierte Zahlungssystem PayPal, SchülerVZ, der Libri-Shop mit vom TÜV SÜD zertifizierten „s@fer shopping“… ach, sucht mal selbst weiter.
  3. Dann bleiben da nur noch die ominösen „sieben Sicherheitsstufen“ als Zusage. Ohne jede weitere Erläuterung. Ob es sich um ein Serverhoroskop handelt, das die Hackwahrscheinlichkeit anhand der Mondstellung im Tierkreis beurteilt oder um ernstzunehmende Maßnahmen, wird keiner weiteren Erläuterung für würdig befunden. Ihr müsst also einfach glauben, dass es sicher ist und das kein Hack passieren kann — und schön euer Geld an Parship und damit mittelbar auch an einen Tim Schiffers geben, der auch schon Menschen mit der ganzen Bandbreite des Esoterik-Schwindels — Horoskope, Kartenlegen, Bullshit — abgezockt hat. Vermutlich kommt aus der Zeit noch die Zuneigung zur „kosmischen“ Zahl sieben…

Für die vielen Menschen, die auf die aufdringliche TV-Reklame von „Parship“ reingefallen sind und dort ihr Geld hingeben, um einen Partner zu finden, kann ich nur hoffen, dass kein Hacker diese Ansage von Tim Schiffer als Herausforderung versteht, mal dem System auf den Zahn zu fühlen — sonst steht am Ende nur ein weiterer Eintrag in einer langen Liste, und bei den Parship-Kunden das Bewusstsein, dass sehr weit in ihre Privat- und Intimsphäre hineinreichende Daten unter Kriminellen zirkulieren.

Ach ja, es platscht mal wieder.


DDR

Überschrift im Feuilleton der FAZ: Das Internet ist die DDR von heute

Und ich dachte immer, YouTube über einen Proxyserver zu schauen, um etwas anderes als Sperrtafeln und Sperrtafeln zu sehen, sei das Westfernsehen von heute…


Deutschland kann das!

Das folgende Plakat ist keine Satire. Ehrlich nicht.

Plakat der Bundesregierung -- Gut vernetzt. Mit Sicherheit. Deutschland kann das. -- Gute Internetverbindungen sind heute genau so wichtig wie eine zuverlässige Strom- und Wasserversorgung. Und auch für das digitale Netz gilt: Es muss so sicher wie möglich sein. Die DIGITALE AGENDA der Bundesregierung legt auf die IT-Sicherheit großen Wert. Künftig müssen deutsche Internetanbieter ihre Kunden warnen, wenn ihr Anschluss missbraucht wird - und empfehlen, was dagegen zu tun ist. Alle Krankenhäuse, Banken, Energie- und Wasserversorger werden gesetzlich verpflichtet, sich vor Cyberangriffen zu schützen. www.digitale-agenda.de

Quelle des Bildes vom Plakat der Bundesregierung: Designtagebuch

Angesichts der Tatsache, dass die informationstechnische Infrastruktur des Deutschen Bundestages gerade wegen eines „Cyberangriffes“ zusammenbricht, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch Verwendung eines elementaren Sicherheits-Browser-Addons wie NoScript zu verhindern gewesen wäre, hat sich die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland für diese prächtige, zwerchfellerschöpfende Realsatire eine platschende Ankunft im Aquarium verdient.


Die Kinder! Zensiert das Internet durch!

Screenshot Focus Online mit der Schlagzeile: 'Suizid, Ritzen, Hungern: So gefährlich sind Kinderseiten im Internet'

Ohne Worte.


Alarm! 2023 ist das Internet weg!

Experten sind überzeugt, dass in acht Jahren das Netz zusammenbricht. Laut Andrew Ellis, einem Forscher von der Aston University in Birmingham, sind steigende Nutzerzahlen und große Datenmengen die Ursache. In nur acht Jahren soll das Internet durch die irrsinnigen Datenmengen komplett überlastet sein.

Focus Online — Zu große Datenmengen: Experte kündigt Kollaps an: 2023 bricht das Internet zusammen

Hierzu nur ganz kurz angemerkt

Die vom Focus seinen dumm gehaltenen Lesern¹ mit lautem Alarmtröten vorgetragene, auf einer statistischen Betrachtung des Datendurchsatzes basierende Hochrechnung eines sonderkompetenten Spezialexperten, dass in acht Jahren das Internet vollständig und unabwendbar zusammenbrichen wird, weil der Strombedarf für die Netzwerkinfrastruktur dann die Resourcen der Erde überschritten haben wird, erinnert in ihrer „wissenschaftlichen“ Methodik stark daran, dass im Jahr 1910 London vollständig im Pferdemist versunken gehabt worden sein sollte. [Und diese dadaistisch konstruierte „Zeitform“ ist so ungrammatisch, dass man mir meinen Unernst hoffentlich anmerkt.]

Wie wir alle wissen, kam es in London anders, und zwar wegen technischer Fortschritte und gesellschaftlicher Entwicklungen. Ich persönlich würde keine Vorhersage der technischen Entwicklung (und der Entdeckung neuer Algorithmen aller Art) der Informations- und Digitaltechnik in den nächsten acht Jahren wagen — bis auf die eine und überaus triviale Prognose, dass es in den nächsten acht Jahren ganz sicher zu weiterer technischer Entwicklung und zur Entdeckung neuer Algorithmen mit teilweise tiefgreifender Wirkung auf das gesamte Internet kommen wird. Wer sich die Zeit bis zum Ablauf dieser acht Jahre ein bisschen überbrücken möchte, beschäftige sich einfach mit früheren Prognosen der Weiterentwicklung der Informationstechnik (aber bitte vorher alle Flüssigkeiten aus dem Mund entfernen, sonst gibts eine große Sauerei).

¹Dumm halten: Dies geschieht, indem alarmistische FUD-Schlagzeilen in Kombination mit einen Verzicht auf jegliche brauchbare Information ins Redaktionssystem verklappt werden — eine von Focus Online und Bildzeitung her gewohnte Methode, die leider eine ungute Strahlkraft in den gesamten Journalismus hinein entfaltet und verheerend auf die rationalen Anteile der Meinungsbildung einwirkt.