Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Sonstige Parteien

Wir zwitschern jetzt auch!

Screenshot des Twitter-Kanales der NPD Niedersachsen mit dem einzigen Tweet vom 8. Februar 2011: Wir zwitschern jetzt auch!

Nun, Kameraden und Volksgenossen aus der NPD Niedersachsen, euer eher etwas unbeachtliches Wahlergebnis bei der niedersächsischen Landtagswahl hatte gewiss nicht seinen Grund darin, dass ihr die zeitgemäßen Mitteilungskanäle im Weltnetz nicht nutzen würdet — sogar in diesem bei vielen Netznutzern sehr beliebten Stummeltextdienst einer Unternehmung aus den VSA habt ihr eigens einen Kanal eröffnet und wahrlich alles darauf gegeben. An welcher Unbill des Schicksals diese wohldurchdachte Strategie schließlich doch gescheitert ist, kann euch allerdings auch der Alarmknopf nicht sagen.

[Dieses wunderschöne Beispiel „politischer“ Twitternutzung kam via @fluxusx in den Alarmknopf]


Achtung, dies ist keine Satire!

Die EU-Kommission fordert Patrick Breyer auf, Dokumente über die Vorratsdatenspeicherung von seiner Webseite zu entfernen. Das geht aus einem Schreiben der Brüsseler Behörde hervor, das der Fraktionsvorsitzende der Piratenpartei Schleswig-Holstein auf seiner Webseite veröffentlichte. Die Kommission stört sich daran, dass die Öffentlichkeit Kritik üben könnte. […] Gestern hat sein Anwalt Meinhard Starostik ein Fax erhalten, in dem er zur Depublizierung dieser beiden Dokumente aufgefordert wird

Netzpolitik.org — Klagedrohung: EU-Kommission will Dokumente zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Internet entfernen

Es handelt sich hier nicht um eine besonders subversive, staatszersetzende Satire, sondern… *prust!*… um die Rechtsauffassung der EU-Kommission. Dieser… *brüll!*… Rechtsauffassung folgend, ist es illegal, die folgenden Dokumente irgendwo im Internet zu veröffentlichen:

Da sich die EU-Kommission wohl prima mit dem Recht (und vor allem mit dem Internet, das sie gern mit einer Vorratsdatenspeicherung verdachtsunabhängig totalüberwachen würde) auskennt, ist strikt davon abzuraten, diese Dateien an anderen Stellen im Internet zu publizieren. Weder im Rahmen eines eigenen Blogs, noch als Upload zu One-Click-Hostern, noch über irgendwelche Cloud-Anbieter, noch in Form eines Torrents. All das widerspricht der *kringelbrüll!* Rechtsauffassung der EU-Kommission und könnte sich folglich als illegal erweisen. Wer dieser *roflcopter!* Rechtsauffassung entgegenhandelt, kann einen lustigen Schriftverkehr mit den Anwälten der EU-Kommission erleben — was aber unwahrscheinlich ist, da sich offenbar viele Menschen über das hinwegsetzen, was die EU-Kommission für Recht hält.

Nur, um jeden gewarnt zu haben. Damit es auch wirklich niemand etwas tut, was die EU-Kommission für illegal hält und was eventuell strafrechtliche Konsequenzen haben kann.

Es ist übrigens nur ein Gerücht, dass eine zuständige Sachbearbeiterin in der EU-Kommission Barbara Streisand hieße.

In der nächsten Sonntagsrede (spätestens beim Empfang des Friedensnobelpreises für die Europäische Union) ist dann wieder von Demokratie, Bürgerrechten und Partizipation die Rede, den Grundpfeilern Europas…


Diebstahl! Die Weltnetzseiten!

[Die Angriffe haben] am 17. September 2011, einen Tag vor den Berliner Wahlen einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Kriminellen brachen in einen Anbieterserver ein und stahlen 179 Weltnetzseiten der NPD. Die Schadensbehebung wird eine Zeitlang in Anspruch nehmen, erklärte der IT-Fachmann der NPD. Die Dimension des Verbrechens ist so enorm, daß dieser eine große organisierte Bande als Drahtzieher vermutet.

Mitteilung der NPD

Kommentar

Sehen wir einmal von dem schönen, wenn auch ungewöhnlich und sektiererisch klingenden Wort „Weltnetzseite“ ab, das leider völlig irreführend ist. Es handelt sich hier um Websites, also um Orte im World Wide Web; „Weltnetz“ wäre hingegen ein viel treffenderes Wort für das Internet als Ganzes und keineswegs nur für einen einzigen Dienst im Internet. Oder wollen die das ganze Internet tatsächlich als „Zwischennetz“ eindeutschen, um die erforderliche begriffliche Differenzierung zu erreichen? Wo die Ideologie eine gewisse Ausdrucksweise erzwingt, bleiben allerdings nicht nur bei der NPD Klarheit und Vernunft auf der Strecke.

Es handelt sich nicht um 179 Seiten, sondern um 179 Sites (die jeweils viele einzelne Seiten mit Inhalten zur Verfügung stellen könnten). Von einem IT-Fachmann der NPD sollte man hier bei allem Ringen um deutsche Bezeichnungen die erforderliche technische Klarheit erwarten können — tatsächlich ist der Angriff durch die unbeholfene Ausdrucksweise sprachlich verharmlost worden, etwa so, als ob in einem Blog mit tausenden Beiträgen ein paar hundert verschwunden wären. Diese Sites wurden auch nicht „gestohlen“, sondern im schlimmsten Fall wurden die auf dem Server verfügbaren Daten und Inhalte von einem Angreifer kopiert und anschließend auf dem Server gelöscht. Man sollte erwarten, dass der IT-Fachmann der NPD regelmäßig eine — Achtung, deutsches Wort — Datensicherung angelegt hat, um einem solchen, gar nicht unwahrscheinlichen Schaden zu begegnen. Wenn er das unterlassen hat und einfach darauf gehofft hat, dass auf einem „Opferrechner“ wie einem ständig mit dem Internet verbundenen Serverrechner „schon nichts passieren“ wird, handelt es sich nämlich nicht um einen Fachmann, sondern um einen Flachmann. Aber um einen ganz flachen!

Nicht nur das, auch ist die große organisierte Bande gar nicht erforderlich, wenn der angegriffene Server wirklich 179 Websites gehostet hat. Es reicht ein einziger erfolgreicher Angriff auf den Server, um sich heiter zu bedienen. So etwas kann einem einzigen, verpickelten Zwölfjährigen gelingen, was übrigens immer wieder einmal passiert. Dafür bedarf es keiner hoch organisierten, verbrecherischen Cyberangriffstruppe. Deshalb macht man von solchen Servern ja auch regelmäßig Datensicherungen, um nach einem erfolgreichen Angriff den Betrieb fortsetzen zu können. Natürlich hat der IT-Fachmann dann auch die Vorgehensweise des Angreifers zu analysieren und die ausgebeuteten Lücken in der zuvor gepflegten Sicherheitsstrategie zu stopfen. Aber das weiß der IT-Fachmann der NPD gewiss selbst, wenn er auch scheinbar ein bisschen überfordert mit diesem Anforderungsprofil zu sein scheint, denn diverse Websites von NPD-Strukturen liefern zurzeit immer noch nicht die üblichen Inhalte aus. In einer solchen Situation persönlicher Überforderung großtönende Worte von einem riesigen Verbrechen (kriminell ist es unbestritten, es handelt sich um Datensabotage) auszusprechen und von großen feindlichen Banden zu fantasieren, deren Opfer man geworden ist, ist kein adäquater Umgang mit einer derartigen Angriffssituation. Vielmehr zeigt ein solcher öffentlicher Auftritt, dass auch in der NPD in gleicher Weise vom Netz gesprochen wird, in der Blinde vom Licht reden: Vollkommen ahnungslos.


Alles verboten, Hausarrest, ab ins Bett!

Wer die Bilder dieser fürchterlichen Aktionen gesehen hat, wird sich vielleicht wundern, wie sie über soziale Netzwerke organisiert worden sind. Das zeigt, dass ein freier Informationsfluss für Gutes ebenso genutzt werden kann wie für Schlechtes [… jetzt wollen „wir“ mal herausfinden] ob es richtig wäre, die Leute von der Kommunikation über solche Websites und Dienste auszuschließen, wenn wir wissen, dass sie Gewalt, Chaos und Straftaten planen.

David Cameron, Premierminister von Großbritannien

Kommentar

Und woher „weiß man“, dass diese Leute Gewalt, Straftaten, ja, Chaos planen? Am sichersten doch durch eine möglichst breite Überwachung, die übrigens in Großbritannien bereits praktiziert wird und vollkommen daran gescheitert ist, die Aufstände und Plünderungen zu verhindern. Sie muss wohl noch ein bisschen ausgeweitet werden, diese Überwachung, damit man die gute von der bösen Kommunikation unterscheiden kann. Und wie will man die Leute dann, nachdem man sie einmal als potenzielle Straftäter festgestellt hat — ja, mehr ist es bis dahin nicht — wie will man sie dann von „solchen Websites und Diensten“ ausschließen? Will man das Netzwerkkabel abklemmen? Schade, dass gerade die Benutzung von Twitter eine derartige Kleinigkeit ist, dass man sie mit einem Telefon hinbekommt. Im Zweifelsfall lässt sich die für mobile Nutzung geschaffene Twitter-Version sogar ausgesprochen bequem über ein Modem benutzen, von WLAN ganz zu schweigen. Also auch Telefon verbieten, das macht ja auch die Koordination solcher Taten über SMS unmöglich! Alles verbieten! Und Hausarrest erteilen, weil ja überall Zugangsmöglichkeiten gegeben sind! Für ein durch irgendeine ins Absurde augeweitete Überwachung der Bürger erlangtes „Wissen“ von einer Planung! Was Herrn Cameron da vorschwebt, ist ein Präventivstaat, der ganz nach dem Geschmack der Stalins und Mielkes dieser Welt gewesen wäre und dessen Mechanismen auch beliebig für kaum kontrollierbare Eingriffe in die Grundrechte missbrauchbar wären. Es ist die Gedankenwelt eines beliebigen Innenministers unserer europäischen „Wertegemeinschaft der Freiheit und der Menschenrechte“. Es ist eine Gedankenwelt zum Gruseln.