Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Archiv für Februar, 2014

Richter sollen ja auch nur darüber rechtsprechen!

PS: Der Richter hat erzählt, dass er vorab die Profile bei Xing angucken wollte. Daran wurde er aber gehindert, weil die Proxy-Server des Gerichts alle Social-Media-Seiten sperren, auch für Richter. Er musste es dann daheim privat nachgucken. Welchen Sinn es haben soll, Richtern den Zugriff aufs Web zu filtern – und ihnen damit die Möglichkeiten zur Recherche einzuschränken – konnte er leider auch nicht erklären

Quelle: SoWhy Not? — Abmahneritis: Noch keine Entscheidung [Update] [dauerhaft archivierte Version]

Ohne Worte.


Auf Deutsch verschlüsseln!

Ich meine damit eine Pflicht zur verschlüsselten Verbindung zwischen Clients und Servern. […] Wir müssen hier auf deutsche Forschung, deutsche Algorithmen setzen.

Thomas Jarzombek, CDU, Abgeordneter des Deutschen Bundestages, Begründer eines IT-Serviceunternehmens

Jawoll, Herr Netzexperte aus der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestage, das Wichtigste an Algorithmen — dieses für viele Leute fremde und deshalb beeindruckende Wort heißt auf gut Deutsch übrigens „Rechenverfahren“ — ist ihre Nationalität! TLS für die Verschlüsselung zwischen Client und Server scheint ihnen ja nicht mehr arisch genug zu sein, lieber etwas eigenes bauen. Am besten etwas, was inkompatibel zum Rest der Welt ist. Das passt ja viel besser zu einem grenzenlosen Netzwerk aus Netzwerken als so ein in einem RFC ausgearbeiteter Internet-Standard. Ganz große Denkleistung eines Menschen, der es mit seinem beruflichen Hintergrund als IT-Dienstleister eigentlich besser wissen müsste. (Wer wissen will, welcher Klitsche Dienstleistungen ich nach derartigen Offenbarungen tiefgreifender Inkompetenz auf keinen Fall empfehlen kann, benutze bitte die Suchmaschine seines Vertrauens!) Na ja, sitzt man als Emporkömmling in der classe politique erstmal im Deutschen Bundestag und darf im Reichstagsgebäude seine Sprechbläschen in die Journalisten-Mikrofone entleeren, kommt es ja auch nicht mehr so darauf an, dass einen auch noch jemand für kompetent im eigenen Fachgebiet hält, die Kasse stimmt ja auch so und das Ego wird durchs Wichtignehmen auch unentwegt sanft gestreichelt. Übrigens: Meinen herzlichen Glückwusch zu ihrer kommenden „Gehaltserhöhung“ um rund tausend Euro und zu ihrer Ankunft im Aquarium der Blindfische.


Können wir nicht verarbeiten

Die Stadtverwaltung setzt bislang noch keine elektronischen Verschlüsselungs- und Signaturverfahren ein. Deshalb können […] signierte E-Mails von der Stadtverwaltung nicht weiterbearbeitet werden

Website der bayerischen Landeshauptstadt München (unter Punkt 13)

Kurzkommentar

-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----
Hash: SHA1

Oh, ein fetter Blindfisch ist im Aquarium angekommen, eine ganze Stadtverwaltung.
-----BEGIN PGP SIGNATURE-----
Version: GnuPG v1.4.11 (GNU/Linux)

iEYEARECAAYFAlL7vbEACgkQKuT/O4qfc5pKZwCfU/egC/nLlpOTmULVFJ4ET5pc
1NwAn0GN/MJNFJKxnZ+lO5YOWvIks/VQ
=o67n
-----END PGP SIGNATURE-----

Ich hoffe mal, die meisten Leser können das — im Gegensatz zur Münchener Stadtverwaltung — problemlos verarbeiten. 😀


Das güldene Stoppschild

Das güldene Stoppschild Der Ursula-von-der-Leyen-Gedächtnispreis „Das güldene Stoppschild“ geht an Andreas Fischer, Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM), Stellvertretener Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), Mitglied der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Mitglied der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) für… ach, lassen wir ihn doch selbst zu Worte kommen:

Die sogenannten Pornofilter sind ein Instrument, um Eltern zu helfen, ihre Kinder vor nicht altersgerechten Inhalten aus dem Netz zu schützen […] Die großen deutschen Internetprovider sollten den britischen Weg ohne Vorurteile prüfen

Quelle des Zitates: DPA, via Heise Online

Kommentar

Der britische Weg, der „ohne Vorurteile“ (früherer politischer Neusprech zur Rechtfertigung von Unmenschlichkeiten und dem Abbau von Freiheitsrechten war „ohne Denkverbote“, aber das ist nach der Übernahme durch Rechtspopulisten nicht mehr brauchbar) „geprüft“ (also einfach mal implementiert und zum Schaden der davon betroffenen Menschen für einige Jahre ausprobiert) werden soll, ist eine zentrale, auf Seiten der Provider implementierte Liste von zu sperrenden Websites. Es ist in der Praxis nicht von den Ideen einer Ursula von der Leyen aus dem Jahr 2009 zu unterscheiden. Es ist keine Hilfe „für die Eltern“, sondern ein Ausblenden von Inhalten für alle Menschen, die das Internet nutzen. In Großbritannien müssen sich Anschlussinhaber explizit von dieser Filterung ausschließen lassen, was angesichts des vorgeblichen Zwecks einer „Hardcore-Pornofilterung“ auch eine gewisse Freiheit von Schamgefühlen erfordert sowie eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Möglichkeit, dass eine zentrale Datei von Pornografiekonsumenten erstellt wird.

Die Filter sind so dumm und willkürlich wie jeder Filter und führten in Großbritannien beispielsweise dazu, dass die Website der Abgeordneten Claire Perry gesperrt wurde, weil sie bei ihrer Agitation zur Durchsetzung einer solchen Sperre auch Wörter wie „sex“, „porn“ und „rape“ verwendet hat. Was auf die Filterlisten kommt, ist jeder Kontrolle enthoben. Es handelt sich um ein willkürlich benutzbares Zensurinstrument. Dass es dabei keineswegs um Pornografie (und schon gar nicht um „Hardcore“) geht, zeigt die Tatsache, dass dabei auch Sexualaufklärungs-Websites und Anlaufstellen für Opfer sexueller Gewalt blockiert werden.

Ich bin desweiteren müde geworden, jedesmal von neuem darauf hinzuweisen, dass DNS-basierte Filter sinnlos und leicht zu umgehen sind — es reicht, einen anderen DNS-Server in der Konfiguration des Computers oder des Routers einzutragen. Zwei mögliche DNS-Server sind zum Beispiel 212.77.0.2 und 81.169.145.75 — es handelt sich um die DNS-Server des Vatikanstaates, die frei von irgendwelchen Pornofiltern sind und in der BRD sogar den Zugriff auf YouPorn¹ gestatteten, als etliche größere Provider diese Site vorrübergehend gesperrt hatten². Davon abgesehen haben DNS-basierte Filter große Nebenwirkungen, da eine Domain nicht nur für den Webzugriff, sondern zum Beispiel auch für Internet-E-Mail verwendet wird.

Eine weitere Frage habe ich noch an Andreas Fischer und andere derartige „Jugendschützer“:

Woher kommt eigentlich die Idee, dass Kinder in ihrer Entwicklung gefährdet sind, wenn sie sehen, dass Menschen unter großem Vergnügen Sex miteinander haben? Ist diese Idee mit irgendwelchen Untersuchungen und Daten — also mit etwas anderem als Ideologie und einem Spiegelbild eines bürgerlich-verquarzten Kindheitsideals — gestützt? Ich habe nach einer zugegebenerweise kurzen Recherche keine belastbaren Belege für diese zentrale These zur Einrichtung einer Zensurinfrastruktur gefunden, und ich sehe es auch keineswegs als meine Bringschuld an, die Behauptungen eines anderen Menschen, dessen Ideen ich schädlich finde und dessen Auffassungen ich nicht teile, zu belegen. Herr Fischer, tun sie mir und dem Rest der Menschen in der BRD bitte den Gefallen und belegen sie nach Möglichkeit anhand überprüfbarer, nach üblichen Maßstäben ausgearbeiteter wissenschaftlicher Studien, dass das von ihnen postulierte Problem überhaupt besteht! Zeigen sie mir und allen anderen Politikgenießern in der Bundesrepublik, dass es für einen… sagen wir einmal… dreizehnjährigen Jungen (in seiner charakterlich und persönlich noch ungefestigten Persönlichkeit) eine ernsthafte Entwicklungsgefahr ist, wenn er zusammen mit seiner erwachenden Sexualität pornografisches Material sehen kann, und bitte erklären sie gleich hinterher, warum es für den gleichen dreizehnjährigen (und damit charakterlich und persönlich noch ungefestigten) Jungen völlig problemlos sein soll, wenn er an einer staatlichen Schule der Bundesrepublik Deutschland von einem „kindgerecht“ sprechenden Bundeswehr-Offizier erklärt bekommt, was für eine großartige Möglichkeit die Ausbildung zum staatlich besoldeten Mörder bei der Bundeswehr für ihn ist! Ich — und mit mir viele andere Menschen — warten voller Spannung auf eine derartige Darlegung.

Wenn sie ersteres — das mit der Bundeswehr war jetzt natürlich nur ein billiger rhetorischer Trick — nicht belegen können, werde ich sie genau so behandeln wie Frau Ursula von der Leyen: Als einen Menschen, der ohne Rücksicht auf Verluste Kinder und den daran hängenden Beschützerinstikt ausgewachsener Menschen instrumentalisiert, um damit eine politische Agenda der Einschränkung von Freiheitsrechten zu verfolgen.

Und das, Herr Fischer, das halte ich (völlig belegfrei) für wirklich jugendgefährdend und im höchsten Maße für widerwärtig — denn die Kinder haben keine Chance, sich gegen eine solche Instrumentalisierung zu verwehren. Sie. Missbrauchen. Gerade. Kinder.

¹Aus Jugendschutzgründen ist YouPorn hier nicht verlinkt. Die Site ist nicht schwierig zu finden. Wirklich nicht. Es reicht, .com an den Namen anzuhängen, zu wissen, wo die Adressleiste im Browser ist, wie man eine Tastatur bedient, und schon kann zu den schlechtesten Filmen der Welt gerubbelt werden, bis die Nille qualmt.

²Wenn mir vor nur fünfzehn Jahren jemand erzählt hätte, dass ich einmal eine Zeit erleben werde, in der der bis ins Mark korrupte Vatikanstaat einmal in vielen Dingen freiheitlicher als viele „moderne“ und „aufgeklärte“ Staaten sein würde, hätte ich ihm spontan einen Vogel gezeigt.


Super Bowl Security

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Platsch! | Foto bei @dborch mitgenommen…