Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Archiv für August, 2014

Untersuchung

Das hier ist bislang das idiotische Symbolbild des Jahres zu einem Internet-Thema:

Ein Mensch sitzt vor insgesamt fünf Monitoren unterschiedlicher Geräte (darunter ein Notebook und ein Netbook), auf denen jeweils ein Matrix-Bildschirmschoner läuft. Darunter der Text: 'Wie die Spy-Software auf den PC kam, wird untersucht'

Bild.de — Attacke auf Landtags-Daten | Hacker-Angriff von Piraten-Rechner

Kürzstkommentar

Dass man bei der Bildzeitung den Lesern das Betrachten von Matrix-Bildschirmschonern als eine Form der ernsthaften forensischen Untersuchung verkaufen will, spiegelt vermutlich wider, wie die Recherche in der Bild-Redaktion aussieht: Ein leerer Kopf betrachtet dösig einige laufende Bildschirmschoner und denkt sich dazu seine Geschichte aus.


Nur nichts über „Störerhaftung“ sagen

Trotzdem, hier am Beispiel anderer europäischer Länder – man muss gar nicht bis in die USA gehen, gehen Sie ins Baltikum – wollen wir diese Störerhaftung des sozusagen Immobilienbesitzers, des Betreibers der Einrichtungen, die WLAN anbieten, die wollen wir beseitigen. Aber dass Sie immer wieder in dieser Debatte auch die sozusagen Auseinandersetzung führen müssen, wie viel Freiheit im Netz und unternehmerische Gestaltungsmöglichkeit und wie viel Sicherheit zum Schutz der Privatsphäre, das finde ich, ist doch absolut normal.

Sigmar Gabriel, SPD, Bundesminister für Wirtschaft und Energie „beantwortet“ die Frage, warum man wegen der Unwägbarkeiten durch die BRD-typische zivilrechtliche „Störerhaftung“ im Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland kein offenes WLAN findet und warum das auch so bleiben wird.

Der Alarmknopf gratuliert dem werten Herrn Minister, dass er so gekonnt und reflexhaft aus dem Bauch heraus in Mikrofone sprechen kann, dass seine Worte also während der Formulierung nicht den lästigen Umweg über das Gehirn gehen müssen. Die Vorstellung, dass ein Mensch mit den in seinen Worten zutage tretenden Vorstellungen Verantwortung über einen größeren Sachbereich als… sagen wir mal… die fachgerechte Lagerung von Ziegelsteinen innehat, ist freilich gruselig.


Anschnallen nicht vergessen!

Der Staat müsse deshalb „Sicherheitsgurte für die IT der kritischen Infrastrukturen“ einführen

Thomas de Maizière, CDU, Innenminister der Bundesrepublik Deutschland
Zitiert in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17. August

Was platscht da so laut in trübester Nacht?
Der Minister hats zu den Blindfischen gebracht.

Foto via @Ballkultur


Zur Tagesschau / In eigener Sache

Angesichts des gestrigen Tagesschau-Kommentares [dauerhaft archivierte Version] — zu dem ich kein weiteres Wort sage — möchte ich die Gelegenheit nutzen, an einen anderen Tagesschau-Kommentar zu erinnern und einen wichtigen Wunsch zu äußern.

Ich wünsche mir, dass niemals, niemals, niemals der Tagesschau-Kommentar vom 15. Juli 2013 zu Edward Snowdens Enthüllungen vergessen wird.

Die Frage, ob man auch in der Tagesschau-Redaktion etwas von derjenigen Heuchelei und demjenigen Zynismus an den Tag legt, der dort Frau Bundeskanzlerin Merkel in einem scheinbar kritischen Kommentar vorgeworfen wird; die Frage, wie gnadenlos zynisch es angesichts des Skandales ist, wenn die Tagesschau es erst einmal mit verdummender und jede Tatsache bewusst und zielstrebig verdrehender Propaganda versucht, um nach dem Scheitern dieses Versuches in die Gegenrichtung umzuschwenken und die Propaganda mit subtileren Methoden zu verabreichen, möge sich bitte jeder selbst beantworten.

Ein bisschen von diesem Zynismus und dieser Tatsachenverdrehung schwingt selbst im gestrigen, scheinbar gegen die BRD-Regierungslinie und US-Überwachung gerichteten Kommentare mit. Und zwar im vernebelnden Wort von der „US-Massenspionage“:

Die Große Koalition in Berlin hat freilich auch immer wieder gerne betont, dass Snowdens Verdienste unbestritten seien mit den Enthüllungen über die unkontrollierte, völlig entfesselte US-Massenspionage weltweit. Übrigens ist der Whistleblower ein Patriot, denn er hat die Tendenz zum totalen Überwachungsstaat öffentlich gemacht und damit die Gefahren offengelegt — zunächst für die US-Demokratie, aber nicht nur die.

„Spionage“ beschreibt nicht, was von den Horch-, Späh- und Morddiensten der USA gegenwärtig im großen Maßstab durchgeführt wird. Spionage hat es immer gegeben, so lange Staaten, Armeen, Unternehmen und Einzelpersonen sich einen Vorteil im Krieg oder wirtschaftlichen Wettbewerb verschaffen wollten, indem sie ihre Entwicklungen, Techniken, Kenntnisse und Pläne geheim hielten. Spionage betrifft eine Minderheit der Menschen, die Zugriff auf Geheimgehaltenes haben, das „interessant“ für Dritte sein könnte; sie ragt nicht in das Leben gewöhnlicher Menschen hinein, durchleuchtet nicht massenhaft ihre Beziehungen, ihre Kommunikation, ihr soziales Verhalten, ihre Interessen, Meinungen, Ängste, Probleme, Wünsche und Gedanken. Das Wort „Massenspionage“ ist angesichts der von staatlichen Einrichtungen der Vereinigten Staaten von Amerika errichteten Überwachung möglichst aller Menschen auf der Welt so vollständig unangemessen und als Kategorie falsch, dass es sich nur dadurch erklären lässt, dass es bewusst und vorsätzlich verschleiern soll, dass der „totale Überwachungsstaat“ längst eine Tatsache geworden ist. Wobei selbst dieses Wort noch die Tatsächlichkeit dessen, was von den Behörden der USA getan und immer weiter ausgeweitet wird, klein spricht und damit verharmlost — in Wirklichkeit wurde kein totalitärer Überwachungsstaat errichtet, sondern ein Überwachungsplanet. Das geht in seiner Größenordnung und in seinem menschenverachtenden Wahnsinn deutlich über das hinaus, was bislang unter dem Begriff „Überwachungsstaat“ zusammengefasst wurde.

In der gewählten Sprache der Tagesschau des BRD-Staatsfernsehens ARD spiegelt sich die zynische, intelligenzverachtende und gegen die Mehrzahl der Menschen in Deutschland gerichtete Absicht der Propaganda. Nach wie vor. Den Menschen werden falsche Wörter gegeben, damit sie falsch denken und das, was sie sehen, lesen und hören, falsch einschätzen. Zum Beispiel die Tätigkeit der USA als „Spionage“ und nicht als das, was sie ist: weltumspannende, selbst darin noch permanent ausgeweitete anlasslose Überwachung möglichst jeden Menschens.

Und deshalb wünsche ich mir, dass niemals, niemals, niemals der Tagesschau-Kommentar vom 15. Juli 2013 zu Edward Snowdens Enthüllungen vergessen wird. Damit niemals vergessen wird, dass es sich um eine Propagandasendung einer — übrigens entgegen dem Geiste und den Buchstaben des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — nach politischen Ansprüchen personell besetzten Rundfunkanstalt handelt, die nicht im Geringsten neutral ist.

Nachrichten heißen so, weil die Meldungen nachgerichtet wurden, um die Menschen dazu zu bringen, dass sie sich danach richten. Und zwar auch entgegen ihrer eigenen Interessen und Ziele.