Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Beiträge mit Schlagwort “Frankfurter Rundschau

Ja, so wird das halt genannt…

Weil es aber bekanntlich nicht gut ankommt, sich dem Telefon oder ähnlichen Erfindungen ganz zu verweigern, weil ja sogar der Papst twittert, hat Steinbrück im sogenannten Internet eine Einladung verschickt: „Hallo zusammen! Nun bin auch ich auf Twitter. Im Twitterview am 12.Dezember (10-11 Uhr) können wir’s miteinander probieren“, schreibt der neue Nutzer @PeerSteinbrück

Frankfurter Rundschau — Peer Steinbrück im Internet: „Hallo! Ich bin auch auf Twitter!“

„im sogenannten Internet“! Fast ohne Worte. Aber eines muss dazu doch raus.

Diese „qualitätsjournalistische“ Jauche, die aus dem langsam vor sich hin krepierenden Leib der Frankfurter Rundschau ausgetreten ist, entzückt damit, dass sie nicht einmal den Benutzernamen zu diesem in meinen Augen höchst entbehrlichen Twitter-Kanal korrekt wiedergibt. Dieser lautet natürlich nicht @PeerSteinbrück, sondern @PeerSteinbrueck. Aber um das korrekt wiederzugeben, hätte man ja so viel Computerkenntnisse haben müssen, dass man den Kanalnamen über die Zwischenablage ins Redaktionssystem bewegt. Und solche Grundfertigkeiten in der Computerbenutzung sind für den einen oder anderen „Qualitätsjournalisten“ schon eine leichte Überforderung.


Urheberrecht zu unverständlich für Medienanwalt

Das ist eine Überschrift, die mich einfach in den Fingern juckt, wenn ich die folgende Auslassung des Medienanwalts [sic!] Thorsten Feldmann der Berliner Kanzlei JBB in der Frankfurter Rundschau lese:

Noch einfacher ist es, einfach gar keine urheberrechtlich geschützten Bilder zu verwenden, rät Jurist Feldmann: „Es gibt ein großes Angebot an Bildern, die unter freien Lizenzen stehen und die die Aussage, die man mit dem Bild transportieren möchte, genauso rüberbringen.“ Für solche Fotos, die meist unter einer sogenannten Creative-Commons-Lizenz stehen, muss grundsätzlich kein Honorar gezahlt werden. Allerdings muss sich der Nutzer trotzdem an gewisse Regeln halten

Frankfurter Rundschau — Rechtliche Spielregeln: Was beim Hochladen ins Netz zu beachten ist
Der Link ist aus dem Artikel in das Zitat übernommen worden

Bitte ganz schnell vergessen!

Die von der Frankfurter Rundschau in indirekter Rede (und hoffentlich unzutreffend) wiedergegebene Auffassung des Medienanwaltes Thorsten Feldmann ist falsch.

Das Urheberrecht an einem Lichtbild (oder einer Grafik) mit einem Mindestmaß an Schöpfungshöhe (etwa ein fotografiertes Brötchen) ist immer vorhanden, es kann in der BRD auch nicht vom Urheber aufgegeben werden. Eine CC-Lizenz für ein Bild führt nicht dazu, dass das Bild nicht mehr urheberrechtlich geschützt wäre. Es handelt sich vielmehr um eine vom Urheber eingeräumte Lizenz zur unentgeltlichen Nutzung, die mit bestimmten Einschränkungen einhergeht. Der keineswegs nur theoretische Unterschied zwischen einem völlig urheberrechtsfreien Werk (nachdem die Schutzfrist nach dem Tod des Urhebers abgelaufen ist), das von jedem beliebig genutzt werden darf und einem vom Urheber entgeltfrei erteilten bedingten Nutzungsrecht sollte einem „Medienanwalt“ sehr geläufig sein, da es sich bei solchen Fragen um sein täglich Brot handelt. Von daher kann ich mir kaum vorstellen, dass die „Qualitätsjournalisten“ der Frankfurter Rundschau hier zutreffend indirekt zitiert haben.

Das ist umso idiotischer, als dass die „Qualitätsjournalisten“ in einem seltenen Akt vorbildlicher Webnutzung den Link auf die Website der Creative Commons Deutschland im Artikel gesetzt haben — denn dort hätte man nachlesen können, dass nicht das Urheberrecht aufgegeben, sondern eine Lizenz eingeräumt wird:

Unserer Erfahrung nach ziehen viele Rechteinhaber jedoch eine flexiblere Alternative gegenüber diesem regelmäßigen, strikten Schutz vor. Vor allem im Internet ist es vielen Kreativen wichtig, dass das Gesetz der freien Kommunikation und Zusammenarbeit nicht im Wege steht. In der Praxis gab es bislang allerdings fast keine Möglichkeit, anderen auf unkomplizierte Weise ohne anwaltliche Hilfe zu erlauben, flexibler mit Ihren Arbeiten umzugehen, also der Allgemeinheit z.B. grundsätzlich einzuräumen, Ihren Inhalt vervielfältigen und/oder bearbeiten zu dürfen.

Creative Commons stellt einige Hilfsmittel bereit, um dieses Problem zu lösen: Wir bieten modular aufgebaute Lizenzverträge kostenlos zum Download an […]

Aber ein bisschen Internet-Recherche oder gar das Wissen um solche wichtigen Erscheinungen im gegenwärtigen Internet wie die CC-Lizenzen wäre von einem bezahlten Schreiber, der einen Artikel über ein Internet-Thema schreibt, wohl zu viel verlangt. Und jene oberflächlichen und pressegläubigen Leser, bei denen die Fehlinformation haften geblieben ist, dass ein CC-lizenziertes Werk frei von Urheberrechten sei, können bei einem Verstoß gegen die Bedingungen der eingeräumtem Lizenz leicht zur Zielscheibe einer teuren Abmahnung wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht werden.

Ob der (doch hoffentlich falsch) zitierte „Medienanwalt“ wohl auch Abmahnungen schreibt? :mrgreen:


Lichtgeschwindigkeit

Der Ausbau für das neue Glasfaser-Netz beginnt diese Woche. Bürgermeister Horst Burghardt (Grüne) war zum offiziellen Spatenstich auf der Baustelle am Breslauer Ring/Ecke Ostpreußenstraße extra in lässigen Jeans erschienen.

Bis zum Herbst sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Die Friedrichsdorfer können dann mit Lichtgeschwindigkeit im Internet surfen. […]

Frankfurter Rundschau — Internet in Friedrichsdorf: Schnell wie das Licht

Kommentar

Entscheidend für das, was die meisten Menschen bei der Internetnutzung als „Geschwindigkeit“ empfinden, ist keineswegs die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Informationen. Diese liegt übrigens auch bei einem Kupferkabel nahezu bei der Lichtgeschwindigkeit, obwohl sich das einzelne Elektron im Leiter nur um einige Zentimeter in der Sekunde bewegt¹, so dass sich Unterschiede in der Ausbreitungsgeschwindigkeit bei irdischen Entfernungen nicht praktisch auswirken. Das Problem mit Kupferkabeln ist ganz anderer Natur. Jedes Kabel entspricht einem Tiefpass², das heißt, dass es zu einer Dämpfung oberhalb einer Grenzfrequenz kommt, was die Bandbreite der Übertragung beschränkt. Dies hat eine Beschränkung der maximal erzielbaren Datenübertragungsrate zur Folge, der Anzahl Informationen pro Sekunde, die über das Kupferkabel übertragen werden können. Unabhängig von diesen allgemeinen Einschränkungen ist die Übertragung durch Kabel anfällig für Störungen durch Induktion aus benachbarten Leitungsadern.

Was aus Nutzersicht die „Geschwindigkeit“ des Netzes ausmacht, ist nicht die Übertragungsgeschwindigkeit — wenn man nicht gerade die IP-Pakete von Brieftauben übermitteln lässt — sondern die Datenübertragungsrate. Bei der Verwendung von Glasfaserkabeln treten die oben kurz angerissenen und jedem Gymnasiasten mit Physikunterricht im Prinzip bekannten Beschränkungen der mit einem Kupferkabel erzielbaren Datenübertragungsraten nicht auf, so dass sich mehr Bits pro Sekunde übertragen lassen.

Die vom FR-Autor Florian Bischof im zitierten Artikel implizit getroffene Aussage, dass die größere Nähe der Ausbreitungsgeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit den eigentlichen Vorteil der Glasfasernetze darstelle, ist hingegen reiner Bullshit und macht klar, dass bei der Frankfurter Rundschau Menschen ohne die Spur technischen Verständnisses über technische Themen schreiben. Der Versuch, die eigene Inkompetenz durch Termini wie „Lichtgeschwindigkeit“ verbergen zu wollen, ist ausgesprochen lächerlich — und er lässt mich ahnen, dass in der gleichen Redaktion auch bei Themengebieten, in denen ich mich zufällig weniger gut auskenne, im Betrieb der Contenterstellung dazu tendiert wird, mangelnde Kenntnisse durch die Verwendung eher psychologisch wirkmächtiger Begrifflichkeiten zu überspielen.

Für eine Zeitung, die sehr darum bemüht ist, für ihre Leser seriös und zuverlässig zu erscheinen, ist das ein vernichtendes Urteil.

¹Ich habe auf die Schnelle keine Quelle dafür gefunden und schreibe das aus meinem Gedächtnis. Es kann sich also um eine falsche Angabe handeln. Die Geschwindigkeit eines einzelnen Elektrons ist für die Ausbreitungsgeschwindigkeit in einem Leiter auch irrelevant und somit nicht besonders interessant.

²In Wirklichkeit ist das noch etwas kompliziert, da jedes Kabel auch einen Widerstand hat. Dieser erfordert regelmäßige Verstärkungen auf der Übertragungsstrecke. Einmal ganz davon abgesehen, dass das Kabel als RLC-Glied auch ein Schwingkreis ist und somit auch eine Resonanzfrequenz hat. Alle „blutigen Einzelheiten“ zu diesem Thema erfährt man in einem guten Einführungswerk der Physik. Trivial ist die Übertragung von Informationen durch ein Kabel keineswegs.


Der strenge deutsche Datenschutz…

Frankfurter Rundschau -- Internet-Wirtschaft: Profit kontra Datenschutz -- Die EU will die weltweite Internet-Wirtschaft regulieren. Die USA und Deutschland intervenieren. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz fürchtet, die EU könnte die strengen deutschen Auflagen aufweichen.

Kurzkommentar (aber bitte den Link klicken und lesen)

Ähm, Herr Peter Schaar, was meinen sie denn bitte genau mit den strengen deutschen Auflagen zum Datenschutz?


Unterhaltung im Tosen der Fakten

Das Informationsvolumen, das ein heutiger Mensch an einem einzigen Tag aufnimmt, ist wahrscheinlich größer als alles, was Landbewohner vor einigen Jahrhunderten in ihrem Leben kennenlernten. In einer Tageszeitung stehen mehr Fakten, als ein Mensch des achtzehnten Jahrhunderts bis zu seinem Tod erfuhr, und auf der Fifth Avenue in New York, auf den Champs-Elysées in Paris oder auf der Shiyuba-Kreuzung in Tokio sieht man an einem gewöhnlichen Mittag mehr Menschen, als unsere Vorfahren je zu Gesicht bekamen.

Das Tosen der Fakten um uns herum wird durch Entertainment geschickt und kommerziell kanalisiert oder ausgeblendet und im Cyberspace eröffnen sich noch einmal neue Möglichkeiten sich zu informieren oder in Chatrooms und Games gleich neu zu erfinden.

Frankfurter Rundschau: Die Unordnung der Dinge

Kommentar

An diesem die Leser malträtierenden Meisterwerk der verborgen verabreichten Verdummung entzücken vor allem zwei Dinge:

Erstens, dass ein contentindustriell erstelltes Elaborat wie eine einzige Ausgabe einer Tageszeitung mehr „Fakten“ transportiere, als ein einzelner Mensch im achtzehnten Jahrhundert im Verlaufe seines ganzes Lebens in die Sinne gepresst bekam.

Und zweitens, dass das Internet — hier zur Verschleierung der Absicht mit dem eher unüblich gewordenen Begriff „Cyberspace“ gefasst — nicht etwa nur ein „noch mehr“ wäre, sondern dazu führe, dass sich Menschen von sich selbst entfremdeten und sich in Chatrooms oder Games neu erfänden. Also: Dass sie ein von den Bedingtheiten ihres „richtigen Lebens“ losgelöstes Ersatzleben zu leben begönnen. Eine Gefahr, die Herr Philipp Blom, der hier in zugegebenermaßen gesteigerter sprachlicher Eleganz für ein Produkt der Contentindustrie schreibt, in den Produkten der Contentindustrie offenbar nicht zu erblicken scheint, obgleich die dort dargebrachten Informationen von der Lebenswirklichkeit der Menschen oft weiter entfernt sind als der Mond. Dazu passt es übrigens prächtig, dass dieser Autor es vortrefflich versteht, so von „Chatrooms“ zu schreiben, dass der kundige Leser genau spürt, dass er noch niemals einen IRC-Client bedient hat.

Ich weiß nun nicht, wie die Internetnutzung eines Philipp Blom aussieht. Aber ich weiß, wie die Internetnutzung von Menschen aussieht, die ich kenne. Etwa ältere Menschen, die so eine Volkskrankheit wie Divertikel im Darm haben. Ja, das ist eine häufige Krankheit, die erhebliche Beschwerden verursachen kann. Aber weil es kein so gutes Geschäft für die Pharmaindustrie ist, gibt es angesichts der Häufigkeit der Krankheit verblüffend wenig Informationsmaterial für die Betroffenen. Auch Ärzte sind eher schlecht informiert, und wer zu mehreren Ärzten geht, hört oft sogar völlig gegensätzliche Tipps, wie er sich ernähren soll und was er in seiner Lebensführung beachten soll, um schmerzhafte und gefährliche Entzündungen an den Divertikeln zu vermeiden. So etwas wird von den Ärzten natürlich nicht mit einem einschränkenden „Ich kenne mich damit auch nicht so gut aus“ vorgetragen, sondern im üblichen autoritären Arztton. Mit ihren gar nicht so seltenen Ängsten angesichts der Möglichkeit einer Operation sind die Menschen auch allein gelassen.

Da hat es zumindest einem Menschen, den ich persönlich kenne, sehr gut getan, einfach mal über das Internet nach anderen Menschen mit dem gleichen Leiden zu suchen und ein bisschen Erfahrungsaustausch unter Betroffenen zu machen. Das geschah nun freilich nicht in irgendwelchen „Games“ und weit jenseits des hochgejubelten Web-Zwo-Null-Bullshits über einfache Webforen — und, zugegebenermaßen, auch manchmal in einem Chat. Die Möglichkeit zum Offenen-darüber-kommunizieren-Können war allein schon viel wert, die Einsicht, dass es sich um eine relativ häufige Krankheit handelt und dass man in seinem Leiden und seinen Ängsten nicht allein ist, wirkte psychologisch stärkend und die vielen kleinen Tipps, die man sich untereinander gab, machten das Leben erträglicher. Die Erfahrungsberichte, die Menschen nach ihrer Operation ausgetauscht haben, hatten mehr Potenzial, einem fühlenden Menschen die Angst vor dem Eingriff zu nehmen, als alles kalte Reden der Ärzte.

Zumindest in diesem Beispiel hat sich ein Mensch nicht „neu erfunden“, sondern nach Jahrzehmnten der medialen Bevormundung und der täglichen Gewöhnung ans Denkenlassen überhaupt erst gefunden: Gefunden als selbstverantwortliches Wesen, das in seiner Lebenssituation vernünftige Entscheidungen fällt. Man könnte auch von Würde sprechen, wenn dieses Wort im gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs nicht jeden Tag durch die Gülle gezogen würde. Und das ist nur ein Beispiel, ich könnte sehr viele derartiger Beispiele nennen, wenn ich mich nicht kurz fassen wollte.

Dass Menschen, die sich als selbstverantwortlich handelnde Wesen erleben, nicht im Interesse einer Contentindustrie sind, die davon lebt, dass sie den Menschen das Denken abnimmt und ihnen jeden Tag aufs Neue sagt, was für sie wichtig ist und was sie wirklich wissen wollen, überrascht mich nicht. Solche Menschen wären übrigens auch eine schlechte „Zielgruppe“ für die eigentliche Kommunikation der Contentindustrie: Die überreichlich dargebotene Werbung, mal gekennzeichnet, und mal im redaktionellen Teil verborgen.

Für das „geschickte und kommerziell kanalisierte Entertainment“ verwendet dieser Mensch übrigens weiterhin die Glotze und die Tageszeitung — fand jedoch beides im Laufe des letzten Jahres immer unerträglicher.