Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Archiv für Juli, 2015

Vom Herhalten

Wofür die Pressefreiheit heutzutage alles herhalten muss. Ups.

Jens Koeppen (CDU), Vorsitzender des Ausschusses „Digitale Agenda“ im Deutschen Bundestage zu den aufgenommenen Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft wegen Landesverrats gegen das Blog netzpolitik.org.

Kurzkommentar

Ich grautliere dem Herrn Abgeordneten und Fraktionsdigitalexperten, dass er die „Pressefreiheit“ ausschließlich für Medien haben will, die auf Papier gedruckt werden… was übrigens eines mit Sicherheit aussterbende Publikationsform ist. Selten sagt ein Mitglied der classe politique so offen und unverblümt, dass er Schutzrechte von Menschen gegenüber dem Staat mittelfristig ersatzlos abzuschaffen gedenkt.

Von der Wahl derartig offen auftretender Verfassungsfeinde in irgendwelche Ämter rate ich allerdings strikt ab.


Absichtserklärungen aus Alzheim

Die CDU will allen Bürgern in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen schnellen Internetzugang verschaffen. Sie strebt an, dass es in Deutschland „bis 2018 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit Geschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde“ gibt […] Jeder solle „an den Chancen der Informationsgesellschaft teilhaben“ können, schreibt die Kommission demnach. Unternehmen müssten „überall in Deutschland über schnelles Internet verfügen“. Die CDU werde „einen Rechtsanspruch auf einen schnellen Internetzugang einführen, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten“. Der Rechtsanspruch soll innerhalb der nächsten beiden Jahre kommen.

Die Programmkommission der CDU, indirekt zitiert nach Heise Online, „Breitband-Internet: CDU will bis 2018 überall mindestens 50 MBit/s“

Anstelle eines Kommentares

Anstelle eines Kommentares gibt es hier ein paar Zitätchen aus dem Dokument des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Innovationspolitik, Informationsgesellschaft, Telekommunikation: Breitbandstrategie der Bundesregierung aus dem Februar 2009 [Lokale Kopie des Dokumentes]. Ich wünsche viel Vergnügen bei der Lektüre:

  • „Bis spätestens Ende 2010 sollen flächendeckend leistungsfähige Breitbandanschlüsse verfügbar sein“ (Seite 5)
  • „Bis 2014 sollen bereits für 75 Prozent der Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen mit dem Ziel, solche hochleistungsfähigen Breitbandanschlüsse möglichst bald flächendeckend verfügbar zu haben“ (Seite 5)
  • „Der Aufbau von Hochleistungsnetzen und die Anbindung abgelegener Gegenden an das Breitbandinternet kann umso schneller erfolgen, je effizienter bestehende Infrastrukturen mitgenutzt werden. Solche werden von öffentlicher Seite von Bundes- und Landesbehörden sowie den Kommunen vorgehalten. Zusätzlich besitzen Unternehmen der Strom- und Energieversorgung sowie aus dem Telekommunikationsbereich eine Vielzahl passiver (z. B. Leerrohre, Funktürme) und aktiver Infrastrukturen (Glasfaser), die auf freiwilliger Basis beim Aufbau von Netzen mitgenutzt werden können“ (Seite 10)
  • „Um die Baukosten für Breitbanderschließungsarbeiten deutlich zu verringern, sollten Telekommunikationsunternehmen verstärkt die Möglichkeit nutzen können, im Rahmen ohnehin beabsichtigter Straßenbaumaßnahmen ihre Infrastrukturen mitzuverlegen“ (Seite 11)
  • „Wenn sich im Markt Koordinationsmängel zeigen, müssen punktuelle Interventionen der öffentlichen Hand hinzukommen“ (Seite 12)
  • „Es ist wichtig, dass jetzt der Aufbau von Hochleistungsnetzen initiiert wird. Soweit dafür finanzielle Impulse erforderlich sind, sind hierfür öffentliche Mittel bereit zu stellen“ (Seite 17)
  • „Die Breitbandstrategie enthält einen komplexen Maßnahmenplan, der Schritt für Schritt umgesetzt werden muss. Um eine Nachhaltigkeit der Breitbandstrategie sicherzustellen, ist eine sorgfältige Dokumentation der verwirklichten Maßnahmen erforderlich“ (Seite 22)

Der hier teilweise zitierte Text ist übrigens eine Veröffentlichung der damaligen Bundesregierung unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu diesem Zeitpunkt bereits vier Jahre im Amte war. Die durch diverse Medien der Contentindustrie (etwa Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung, Die Welt) vor das Auge und damit ins Bewusstsein der Wahlberechtigten getragene, völlig unverbindliche Heißluft, die ich eingangs zitiert habe, ist hingegen Bestandteil des gegenwärtig in Ausarbeitung befindlichen Programmes der CDU für den kommenden Bundestagswahlkampf. Wer nicht oder noch nicht weiß, welche „Bedeutung“ ein Wahlprogramm für die nach der Ermächtigung von Parteienvertretern durch eine Wahl gepflegte politische Praxis in der Bundesrepublik Deutschland hat, findet hier eine satirische und kindgerechte Erklärung. Wer trotz dieses kleinen Rückblickes glaubt, dass es jetzt wenigstens bis 2018 gelingen könnte, auch nur die größeren Städte in der Bundesrepublik Deutschland mit 50 MBit/s-Internet zu versorgen, möge doch sich doch bitte von seinem Arzt etwas gegen Dummheit und Leichtgläubigkeit verschreiben lassen.

Wer ein wenig Verstand hat, wird sich hoffentlich von dieser offenen Intelligenzverachtung der CDU-Programmkommission aus Alzheim so weit beeinflussen lassen, dass er genau weiß, was er nicht wählen sollte.