Lichtgeschwindigkeit
Der Ausbau für das neue Glasfaser-Netz beginnt diese Woche. Bürgermeister Horst Burghardt (Grüne) war zum offiziellen Spatenstich auf der Baustelle am Breslauer Ring/Ecke Ostpreußenstraße extra in lässigen Jeans erschienen.
Bis zum Herbst sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Die Friedrichsdorfer können dann mit Lichtgeschwindigkeit im Internet surfen. […]
Frankfurter Rundschau — Internet in Friedrichsdorf: Schnell wie das Licht
Kommentar
Entscheidend für das, was die meisten Menschen bei der Internetnutzung als „Geschwindigkeit“ empfinden, ist keineswegs die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Informationen. Diese liegt übrigens auch bei einem Kupferkabel nahezu bei der Lichtgeschwindigkeit, obwohl sich das einzelne Elektron im Leiter nur um einige Zentimeter in der Sekunde bewegt¹, so dass sich Unterschiede in der Ausbreitungsgeschwindigkeit bei irdischen Entfernungen nicht praktisch auswirken. Das Problem mit Kupferkabeln ist ganz anderer Natur. Jedes Kabel entspricht einem Tiefpass², das heißt, dass es zu einer Dämpfung oberhalb einer Grenzfrequenz kommt, was die Bandbreite der Übertragung beschränkt. Dies hat eine Beschränkung der maximal erzielbaren Datenübertragungsrate zur Folge, der Anzahl Informationen pro Sekunde, die über das Kupferkabel übertragen werden können. Unabhängig von diesen allgemeinen Einschränkungen ist die Übertragung durch Kabel anfällig für Störungen durch Induktion aus benachbarten Leitungsadern.
Was aus Nutzersicht die „Geschwindigkeit“ des Netzes ausmacht, ist nicht die Übertragungsgeschwindigkeit — wenn man nicht gerade die IP-Pakete von Brieftauben übermitteln lässt — sondern die Datenübertragungsrate. Bei der Verwendung von Glasfaserkabeln treten die oben kurz angerissenen und jedem Gymnasiasten mit Physikunterricht im Prinzip bekannten Beschränkungen der mit einem Kupferkabel erzielbaren Datenübertragungsraten nicht auf, so dass sich mehr Bits pro Sekunde übertragen lassen.
Die vom FR-Autor Florian Bischof im zitierten Artikel implizit getroffene Aussage, dass die größere Nähe der Ausbreitungsgeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit den eigentlichen Vorteil der Glasfasernetze darstelle, ist hingegen reiner Bullshit und macht klar, dass bei der Frankfurter Rundschau Menschen ohne die Spur technischen Verständnisses über technische Themen schreiben. Der Versuch, die eigene Inkompetenz durch Termini wie „Lichtgeschwindigkeit“ verbergen zu wollen, ist ausgesprochen lächerlich — und er lässt mich ahnen, dass in der gleichen Redaktion auch bei Themengebieten, in denen ich mich zufällig weniger gut auskenne, im Betrieb der Contenterstellung dazu tendiert wird, mangelnde Kenntnisse durch die Verwendung eher psychologisch wirkmächtiger Begrifflichkeiten zu überspielen.
Für eine Zeitung, die sehr darum bemüht ist, für ihre Leser seriös und zuverlässig zu erscheinen, ist das ein vernichtendes Urteil.
¹Ich habe auf die Schnelle keine Quelle dafür gefunden und schreibe das aus meinem Gedächtnis. Es kann sich also um eine falsche Angabe handeln. Die Geschwindigkeit eines einzelnen Elektrons ist für die Ausbreitungsgeschwindigkeit in einem Leiter auch irrelevant und somit nicht besonders interessant.
²In Wirklichkeit ist das noch etwas kompliziert, da jedes Kabel auch einen Widerstand hat. Dieser erfordert regelmäßige Verstärkungen auf der Übertragungsstrecke. Einmal ganz davon abgesehen, dass das Kabel als RLC-Glied auch ein Schwingkreis ist und somit auch eine Resonanzfrequenz hat. Alle „blutigen Einzelheiten“ zu diesem Thema erfährt man in einem guten Einführungswerk der Physik. Trivial ist die Übertragung von Informationen durch ein Kabel keineswegs.
„Lichtgeschwindigkeit“ ist hierbei reines Werbegeschwätz!
22. April 2012 um 18:24
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