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Das güldene Stoppschild

Das güldene Stoppschild Der Ursula-von-der-Leyen-Gedächtnispreis „Das güldene Stoppschild“ geht an Andreas Fischer, Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM), Stellvertretener Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), Mitglied der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Mitglied der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) für… ach, lassen wir ihn doch selbst zu Worte kommen:

Die sogenannten Pornofilter sind ein Instrument, um Eltern zu helfen, ihre Kinder vor nicht altersgerechten Inhalten aus dem Netz zu schützen […] Die großen deutschen Internetprovider sollten den britischen Weg ohne Vorurteile prüfen

Quelle des Zitates: DPA, via Heise Online

Kommentar

Der britische Weg, der „ohne Vorurteile“ (früherer politischer Neusprech zur Rechtfertigung von Unmenschlichkeiten und dem Abbau von Freiheitsrechten war „ohne Denkverbote“, aber das ist nach der Übernahme durch Rechtspopulisten nicht mehr brauchbar) „geprüft“ (also einfach mal implementiert und zum Schaden der davon betroffenen Menschen für einige Jahre ausprobiert) werden soll, ist eine zentrale, auf Seiten der Provider implementierte Liste von zu sperrenden Websites. Es ist in der Praxis nicht von den Ideen einer Ursula von der Leyen aus dem Jahr 2009 zu unterscheiden. Es ist keine Hilfe „für die Eltern“, sondern ein Ausblenden von Inhalten für alle Menschen, die das Internet nutzen. In Großbritannien müssen sich Anschlussinhaber explizit von dieser Filterung ausschließen lassen, was angesichts des vorgeblichen Zwecks einer „Hardcore-Pornofilterung“ auch eine gewisse Freiheit von Schamgefühlen erfordert sowie eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Möglichkeit, dass eine zentrale Datei von Pornografiekonsumenten erstellt wird.

Die Filter sind so dumm und willkürlich wie jeder Filter und führten in Großbritannien beispielsweise dazu, dass die Website der Abgeordneten Claire Perry gesperrt wurde, weil sie bei ihrer Agitation zur Durchsetzung einer solchen Sperre auch Wörter wie „sex“, „porn“ und „rape“ verwendet hat. Was auf die Filterlisten kommt, ist jeder Kontrolle enthoben. Es handelt sich um ein willkürlich benutzbares Zensurinstrument. Dass es dabei keineswegs um Pornografie (und schon gar nicht um „Hardcore“) geht, zeigt die Tatsache, dass dabei auch Sexualaufklärungs-Websites und Anlaufstellen für Opfer sexueller Gewalt blockiert werden.

Ich bin desweiteren müde geworden, jedesmal von neuem darauf hinzuweisen, dass DNS-basierte Filter sinnlos und leicht zu umgehen sind — es reicht, einen anderen DNS-Server in der Konfiguration des Computers oder des Routers einzutragen. Zwei mögliche DNS-Server sind zum Beispiel 212.77.0.2 und 81.169.145.75 — es handelt sich um die DNS-Server des Vatikanstaates, die frei von irgendwelchen Pornofiltern sind und in der BRD sogar den Zugriff auf YouPorn¹ gestatteten, als etliche größere Provider diese Site vorrübergehend gesperrt hatten². Davon abgesehen haben DNS-basierte Filter große Nebenwirkungen, da eine Domain nicht nur für den Webzugriff, sondern zum Beispiel auch für Internet-E-Mail verwendet wird.

Eine weitere Frage habe ich noch an Andreas Fischer und andere derartige „Jugendschützer“:

Woher kommt eigentlich die Idee, dass Kinder in ihrer Entwicklung gefährdet sind, wenn sie sehen, dass Menschen unter großem Vergnügen Sex miteinander haben? Ist diese Idee mit irgendwelchen Untersuchungen und Daten — also mit etwas anderem als Ideologie und einem Spiegelbild eines bürgerlich-verquarzten Kindheitsideals — gestützt? Ich habe nach einer zugegebenerweise kurzen Recherche keine belastbaren Belege für diese zentrale These zur Einrichtung einer Zensurinfrastruktur gefunden, und ich sehe es auch keineswegs als meine Bringschuld an, die Behauptungen eines anderen Menschen, dessen Ideen ich schädlich finde und dessen Auffassungen ich nicht teile, zu belegen. Herr Fischer, tun sie mir und dem Rest der Menschen in der BRD bitte den Gefallen und belegen sie nach Möglichkeit anhand überprüfbarer, nach üblichen Maßstäben ausgearbeiteter wissenschaftlicher Studien, dass das von ihnen postulierte Problem überhaupt besteht! Zeigen sie mir und allen anderen Politikgenießern in der Bundesrepublik, dass es für einen… sagen wir einmal… dreizehnjährigen Jungen (in seiner charakterlich und persönlich noch ungefestigten Persönlichkeit) eine ernsthafte Entwicklungsgefahr ist, wenn er zusammen mit seiner erwachenden Sexualität pornografisches Material sehen kann, und bitte erklären sie gleich hinterher, warum es für den gleichen dreizehnjährigen (und damit charakterlich und persönlich noch ungefestigten) Jungen völlig problemlos sein soll, wenn er an einer staatlichen Schule der Bundesrepublik Deutschland von einem „kindgerecht“ sprechenden Bundeswehr-Offizier erklärt bekommt, was für eine großartige Möglichkeit die Ausbildung zum staatlich besoldeten Mörder bei der Bundeswehr für ihn ist! Ich — und mit mir viele andere Menschen — warten voller Spannung auf eine derartige Darlegung.

Wenn sie ersteres — das mit der Bundeswehr war jetzt natürlich nur ein billiger rhetorischer Trick — nicht belegen können, werde ich sie genau so behandeln wie Frau Ursula von der Leyen: Als einen Menschen, der ohne Rücksicht auf Verluste Kinder und den daran hängenden Beschützerinstikt ausgewachsener Menschen instrumentalisiert, um damit eine politische Agenda der Einschränkung von Freiheitsrechten zu verfolgen.

Und das, Herr Fischer, das halte ich (völlig belegfrei) für wirklich jugendgefährdend und im höchsten Maße für widerwärtig — denn die Kinder haben keine Chance, sich gegen eine solche Instrumentalisierung zu verwehren. Sie. Missbrauchen. Gerade. Kinder.

¹Aus Jugendschutzgründen ist YouPorn hier nicht verlinkt. Die Site ist nicht schwierig zu finden. Wirklich nicht. Es reicht, .com an den Namen anzuhängen, zu wissen, wo die Adressleiste im Browser ist, wie man eine Tastatur bedient, und schon kann zu den schlechtesten Filmen der Welt gerubbelt werden, bis die Nille qualmt.

²Wenn mir vor nur fünfzehn Jahren jemand erzählt hätte, dass ich einmal eine Zeit erleben werde, in der der bis ins Mark korrupte Vatikanstaat einmal in vielen Dingen freiheitlicher als viele „moderne“ und „aufgeklärte“ Staaten sein würde, hätte ich ihm spontan einen Vogel gezeigt.