Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Der Datenklau, der Datenklau!

Privatbank Julius Bär bestätigt Diebstahl von Kundendaten
Schweizer Banker wegen Datenklau verhaftet

In der Schweiz ist ein Bankmitarbeiter unter dem Verdacht verhaftet worden, Datensätze an deutsche Steuerfahnder verkauft zu haben. Die Zürcher Privatbank Julius Bär bestätigte der Schweizer „Sonntagszeitung“, dass nach einem Fall von Datenklau ein mutmaßlicher Täter identifiziert worden sei […]

Die Bank Julius Bär war damit bereits zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren Ziel eines Datendiebs […]

Die Maßnahmen zielten darauf ab, Datendiebe zu enttarnen und die weitere Entwendung von Kundendaten so weit wie irgend möglich zu erschweren […]

Tagesschau.de: Schweizer Banker wegen Datenklau verhaftet

Kommentar in Form eines Offenen Briefes

Werte Qualitätsjournalisten bei der ARD und andernorts,

um es euch nicht immer wieder schreiben zu müssen, was das Problem in der von euch verwendeten Nachrichtensprache ist, habe ich es heute in eine kleine, auch für gehetzte Pressetexter im Zeitdruck leicht zu erfassende Grafik zusammengefasst. Hier ist sie:

Komplizierte Themen für Journalisten erklärt: Diebstahl und Kopie

Und da ihr werten Journalisten vor lauter Kopieren von Agenturmeldungen in eure Systeme zum content management nur noch selten dazu kommt, etwas gründlich zu betrachten und auch darüber nachzudenken, noch eine wichtige Anmerkung nur für euch: Das heißt weder, dass Verstöße gegen das Urheberrecht legal sind, noch heißt es, dass der Handel mit Daten, die mit gutem Grund als schutzwürdig erachtet werden, eine unproblematische Sache wäre. Es heißt nur, dass die von euch werten Journalisten immer und immer wieder verwendete Diebstahlsmetapher in Sachen digitaler Daten zwei große Probleme hat, nämlich dass sie…

  1. …an der Natur der berichteten Vorgänge völlig vorbei geht, und dass sie
  2. …nicht im Geringsten dazu geeignet ist, beim Rezipienten eures pseudoobjektiven Nachrichtentones auch nur eine Spur von Verständnis und Bewusstsein für die Problematik der von euch berichteten Vorgänge zu schaffen, und zwar weder in Fragen des Urheberrechtes (bei der Verbreitung nicht-lizenzierter Werkkopien) noch in Fragen des Datenschutzes (beim Handel mit rechtswidrig abgegriffenen Bankdaten).

Am Ende der von euch durchgeführten täglichen Verdummung durch inadäquaten Sprachgebrauch stehen dann nicht nur eure eigenen vollumfänglichen Denkverzichte, sondern auch solche politischen Blindfische wie Siegfried Kauder (CDU), die nur auf der Grundlage ihres völligen Unverständnisses und ihrer mutmaßlichen Korruption durch finanzstarke Lobbyisten den rechtlichen Rahmen für die weitere Entwicklung der Gesellschaft in der BRD schaffen.

Wenn ihr meint, dass derartige Volksverdummungen die Aufgabe des Journalismus seien, geht bitte einfach sterben. Ansonsten verwendet sprachliche Bilder, die das Verständnis des Tagesgeschehens ermöglichen¹ und nicht verhindern!

Ach, apropos „sprachliche Bilder“:

In Züricher Bankerkreisen hieß es, die Schweizer Geldinstitute hätten ihre Kontrollmechanismen in letzter Zeit wegen des wiederholten Ankaufs von Steuer-CDs durch deutsche Behörden verschärft […]

Glaubt ihr Journalisten eigentlich selbst, dass im Zeitalter der preiswerten Speichersticks und der ebenfalls preisgünstigen externen Festplatten das obsolete Medium CD-ROM wirklich von halbseidenen Datenhändlern verwendet wird, um massenhaft Kundendaten und Kontobewegungen zu bewegen und zu handeln? Auf so eine CD würde doch kaum etwas draufpassen, und zudem wäre dieses Medium langsam, störanfällig und empfindlich. Oder ist es nicht vielmehr so, dass nach dem Ende des Diskettenzeitalters die CD-ROM schlicht der kleinste für Laien glaubwürdige Datenträger ist; dass der Begriff „CD-ROM“ also vor allem das Ausmaß des Datenhandels kleiner aussehen lässt? Von wem schreibt ihr bitte dieses ansonsten völlig schwachsinnige Wort ab? Von den PR-Spezialisten der Landesregierungen, die (vielleicht mit gutem Grund, ich werte das gar nicht weiter) gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen, indem sie massenhaft Kontobewegungen anderer Menschen zu Fahndungszwecken einsehen? Dass ihr es euch selbst ausgedacht habt, kann ich mir nämlich nicht vorstellen. Für eine so perfide Form der Verschleierung fehlt euch Journalisten im Allgemeinen schlicht die Kompetenz.

Ach!

Euer euch immer wieder lesen und hören müssende
Nachtwächter

¹In diesem Fall ist das Wort vom „Diebstahl“ gar nicht erforderlich, es geht um Datenhandel mit empfindlichen persönlichen Daten. Die Daten werden mutmaßlich durch Menschen gehandelt, die als Angestellte eines Bankhauses auf den Datenbestand Zugriff hatten und das Vertrauen ihres Arbeitgebers aus reiner Habgier missbrauchten. Solches Verhalten ist mit gutem Grund allgemein geächtet, wenn es durch die Motivation der Habgier angetrieben wird. Wenn es den Datenhändlern um eine gesellschaftlich not-wendige Aufklärung organisierter Steuerhinterziehung und nicht um ihre eigene Habgier gegangen wäre, wäre es für sie ein leichtes (und zudem sehr viel sicherer) gewesen, die Daten anonym bei einem Sharehoster abzulegen und ebenso anonym dafür zu sorgen, dass die Vorgänge in Presse und Internet die gewünschte Beachtung finden. Dass die Habgier dieser Datenhändler von Seiten einer Landesregierung der BRD mit hohen Geldzahlungen vergoldet wird, ist ein Vorgang, der ein grelles Schlaglicht auf die vollständige Amoralität des gegenwärtigen Politikbetriebes wirft. Die Konzentration auf den angeblichen „Diebstahl“ von Daten lenkt von diesem eigentlichen Problem ab. Aber wen erzähle ich das? Journalisten in der BRD? Es ist eine Verschwendung von Kraft und Worten… wie jeder beim Blick in die Zeitung oder beim Anschauen einer Nachrichtensendung selbst bemerken kann.

2 Antworten

  1. Naja, diese Argumentation funktioniert nur, wenn man die bewusst unpräzise Definition dessen beibehält, was da angeblich gestohlen oder kopiert wird.
    Für jedes geistige Produkt gibt es eine bestimmte Zahl an kaufbereiten Rezipienten (Leser, Hörer, Zuschauer). Wenn einer von denen mein geistiges Produkt kopiert, um es zu rezipieren, dann fehlt mir zwar nicht mein eBook oder mein Film, aber das Geld, das der Rezipient ohne die kostenlose Kopie bezahlt hätte. Theoretisch lohnt es sich für mich natürlich irgendwann nicht mehr, ein Buch zu schreiben oder ein Musikstück zu produzieren, weil ja von einem einzigen verkauften Exemplar theoretisch alle Rezipienten per Kopie versorgt werden könnten.
    Erfahrungsgemäß entsteht dem Urheber durch die Kopie allerdings kein Schaden, weil der Bekanntheitsgrad seines Werks durch die Kopien so gesteigert wird, dass die zusätzlichen Verkäufe den „Verlust“ durch die Kopien ausgleichen. Das hört die Anwaltsbranche natürlich nicht gern, weil ihr Geschäftsmodell dadurch seine Berechtigung verliert.
    Die hier geführte Argumentation funktioniert allerdings auch nicht wirklich, obwohl sie mit den Kirschen sehr schön ins Bild gesetzt wurde.

    7. April 2013 um 17:21

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