Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Eine ganz neue Masche

Achtung, was jetzt folgt, ist ein Text vom gestrigen Tag, dem 10. Februar 2012. Es ist kein verfrühter Aprilscherz. Es ist der in Focus Online kopierte Auswurf der DPA, der so jeck klingt, dass ich beinahe fassungslos bin:

Internet: Neue Masche: Kreditkarten-Betrug im Netz
Freitag, 10.02.2012, 14:20

Betrüger versuchen zurzeit mit einer neuen Masche, Mastercard-Kunden übers Internet die Daten ihrer Kreditkarte zu entlocken. Verbraucher sollten auf der Hut sein.

Die Thüringer Verbraucherzentrale vor einer Welle von E-Mails, die Verbraucher auffordern, ihre Kartennummer und den dazugehörigen Sicherheitscode oder weitere Informationen preiszugeben. Dazu täuschten die E-Mails eine Sperrung der Kreditkarte vor, als Absender würden Mastercard oder eine Bank angegeben. Diese kriminelle Methode ist als Phishing bekannt. „Seriöse Finanzdienstleister fordern ihre Kunden niemals per E-Mail auf, geheime Daten im Internet einzugeben“, hieß es in der Erklärung.

Focus Online — Internet: Neue Masche: Kreditkarten-Betrug im Netz

Kommentar

Es fällt mir schwer, sachlich zu bleiben. Ich glaube, ich lasse es einfach bleiben.

Diese gar nicht so „neue“ Masche nennt man Phishing. Sie ist eine der ältesten Betrugsformen im Internet, ungefähr so alt wie die Verbindung eines AOL-Accounts mit einem Internetzugang, die der seligen Zeit des Internet ein schmerzhaftes Ende unter den stampfenden Füßen bespaßungssuchender Barbaren bereitete.

Der erste bekannt gewordene Phishing-Versuch im Internet fand am 2. Januar 1996 als Posting in der Usenet-Gruppe alt.online-service.america-online statt, weil die Betrüger sich dort offenbar die besten Chancen ausrechneten, auf leichtgläubige und zur Dummheit neigende Opfer zu treffen. Vermutlich war dies eine Überlegung, die zum Erfolg führte. Diese simple Betrugsmethode wurde seitdem immer wieder angewendet, häufig über E-Mail, oft aber auch über ICQ, Twitter, MySpace und andere Internet-Dienste mit einer hohen „Deppendichte“. Einen Einblick in die Phishing-Versuche der letzten Jahre bis zurück ins Jahr 2007 kann man zum Beispiel gewinnen, indem man die Kategorie „Phishing“ in „Unser täglich Spam“ durchblättert.

Wenn ein professioneller Schreiber in Diensten der Deutschen Presseagentur am 10. Februar 2012 schreibt, dass es sich beim Phishing um eine „neue Masche“ handelt, dann belegt dieser professionelle Schreiber durch den dabei gewählten Ausdruck, dass er die Entwicklung der letzten sechzehn Jahre nicht mitbekommen hat und folglich nicht über die Spur einer Ahnung zu dem Thema verfügt, über das er schreibt. Dieser Mangel an Kompetenz hat ihn allerdings nicht vom Schreiben abgehalten, was ein interessantes Licht auf die anderen Meldungen der Deutschen Presseagentur wirft — es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass diese mit mehr Sorgfalt, Wissen und Fähigkeit geschrieben werden. Dass „Focus Online“ solche Strunztexte offenbar unbesehen in seine Website übernimmt — oder noch schlimmer: Nicht bemerkt, was für ein Müll von der DPA verzapft wird — wirft ebenfalls ein interessantes Licht auf den qualitativen Anspruch eines Mediums, das sich selbst am liebsten als ein Produkt des „Qualitätsjournalismus“ sieht. Stimmt, dieser Journalismus hat eine Qualität. Und was für eine!

Ach, bei den Blindfischen ist Platz für alle.

4 Antworten

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