Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Über 37 Millionen E-Mails mitgelesen

Diverse Medien der Contentindustrie gaben die (zweifelhafte) Zahl der (stets fragwürdigen) Bildzeitung wider, dass die Geheimdienste der BRD im Jahre 2010 über 37 Millionen E-Mails mitgelesen hätten. Die Auswahl der Mails wurde angeblich anhand von Schlüsselwörtern wie „Bombe“ getroffen. Diese beachtliche Menge an Lesestoff aus privater Kommunikation von Menschen führte nach (zweifelhaften) Angaben der Bildzeitung insgesamt zu 213 verwertbaren Hinweisen für die Geheimdienste.

Sollten sich die (zweifelhaften) Angaben der Bildzeitung bestätigen, so ist damit publik geworden, dass Methoden der Rasterfahndung von deutschen Inlandsgeheimdiensten regelmäßig angewendet werden, dass die private Kommunikation von Menschen in der BRD standardmäßig analysiert und nach verhältnismäßig einfachen Mustern zur Lektüre durch die Mitarbeiter deutscher Inlandsgeheimdienste ausgewählt wird. Ein Satz wie „Das war ein Schuss wie eine Bombe“ in der Wiedergabe eines Fußballspieles ist bereits hinreichend, dass Daten über persönliche Kommunikation und über persönliche Beziehungen durch Inlandsgeheimdienste der BRD gesammelt und möglicherweise analysiert werden. Eine Kontrolle dieser Vorgehensweise durch die Öffentlichkeit findet außerhalb des Geheimdienstausschusses des Deutschen Bundestages nicht statt. Die „Trefferquote“ von weniger als 0,006 Promille relevanter Informationen in dieser Menge macht deutlich, dass von Verhältnismäßigkeit bei dieser Maßnahme nicht die Rede sein kann.

Keines dieser Medien hat auch nur einen Hinweis darauf gegeben, wie man seine private Kommunikation vor derartigen Zugriffen sichert — die dafür erforderlichen Techniken und Hilfsmittel stehen seit über einem Jahrzehnt allen Menschen frei zur Verfügung. Keines dieser Medien hat diese (vorgebliche) völlige Unverhältnismäßigkeit einer weitgehenden Überwachung persönlicher Kommunikation zu Anlass genommen, ein kurzes Tutorial zu verfassen, wie man verschlüsselte Mail nutzt. Das ist übrigens verhältnismäßig einfach, denn freie Software zur bequemen Nutzung steht allen Menschen zur Verfügung. Wer zum Mailen den Mozilla Thunderbird verwendet, wird die Verwendung von Enigmail besonders einfach finden. Der zusätzliche Aufwand beim Verfassen einer Mail — ein Klick in ein Menü, der ein Häkchen setzt und die Eingabe einer Passphrase beim Versenden der Mail — ist gering. Jeder kann damit klarkommen.

Alle diese Medien haben durch dieses Verschweigen den Eindruck erweckt, dass man solchen Eingriffe in seine Intimsphäre — ja, ich betrachte persönliche Kommunikation als intim und das heimliche Mitlesen als etwa so übel wie Kameras in der Wohnung — schutzlos ausgeliefert wäre. Das ist nicht der Fall. Jeder kann etwas dagegen tun, dass seine Mails von anderen Menschen als dem geplanten Empfänger gelesen werden können.

Vermutlich haben sich die „Qualitätsjournalisten“, die hier eine recht reißerische Meldung der Bildzeitung wiedergekäut haben, ohne auch nur die naheliegendste Hinzufügung zu machen, sogar noch besonders „kritisch“ gefühlt. Sie sind aber einfach nur dumm, oberflächlich und auf reißerische Schlagzeilen über Artikeln aus, die Menschen nicht informieren. Insofern ists durchaus passend, dass allenthalben von der (stets fragwürdigen) Bildzeitung abgeschrieben wird, steht man doch schon längst auf der gleichen qualitativen Stufe.

Disclaimer: Ich habe nur die Berichterstattung der großen Zeitungen und Magazine im Internet betrachtet, vielleicht findet sich ja in mancher Lokalzeitung noch der eine oder andere Journalist, der unter Journalismus etwas anderes versteht, als das Wiedergeben noch der fragwürdigsten Agenturmeldung mit zweifelhafter Quellenlage. Zum Beispiel die Aufklärung der Menschen, damit sie selbstverantwortlich Entscheidungen treffen können. Was ich in den letzten vierzig Minuten vor mir gesehen habe, war jedenfalls ein vollständiges Versagen des Journalismus

7 Antworten

  1. Bio

    Bomben Artikel!

    Und das von so einer Wasserstoffperoxid-Sex-Bombe wie Dir!

    *rofl* 😉

    27. Februar 2012 um 22:20

  2. Bio

    Achso.:
    Dieser Qualitätsjournalismus kann sich immerhin bedanken, wenn andere ihre Arbeit machen. Das ist doch schon mal was! *HrHr*

    27. Februar 2012 um 22:24

  3. Bio

    Ach sieh mal da. Plötzlich waren gar keine Deutschländer betroffen. Das ist natürlich prima! Die scheiß Asiaten und Afrikaner muss und darf man natürlich „strategisch“ überwachen – WIR SIND DIE GUTEN!

    27. Februar 2012 um 22:42

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