Acta soll Urheberrecht international durchsetzen
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Darum geht’s:Acta soll Urheberrecht international durchsetzenDas Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Acta) ist ein internationaler Handelspakt mit dem Ziel, Urheberrechte auch international durchzusetzen. Das Abkommen gegen Produkt-Piraterie ergänzt das TRIPS-Abkommen von 1994 im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO).
Der Acta-Vertrag geht auf eine Initiative der USA und Japans aus dem Jahr 2006 zurück. Kritiker sehen in dem Abkommen eine Einschränkung von Freiheitsrechten im Internet. Viele User haben zum Beispiel die Sorge, dass sie nicht mehr so leicht Filme oder Musik aus dem Internet herunterladen können, dass ihre Daten dabei an Dritte weitergegeben werden oder dass sie saftige Strafen zahlen müssen.
Kommentar
Nein, Focus Online, nein, DPA, es geht nicht darum, „dass man nicht mehr so leicht Filme oder Musik aus dem Internet herunterladen“ kann, wie ihr es hier schambefreit schreibt, um eure Leser so richtig für dumm zu verkaufen. Es geht darum, dass unter den Bedingungen des gnadenlos unscharf formulierten ACTA-Abkommens die Zugangsprovider für eventuelle Urheberrechtsverstöße der Nutzer haftbar gemacht werden könnten. Die einzige halbwegs sichere Vorgehensweise für Zugangsprovider wäre es in solcher Situation, den gesamten Netzverkehr zu überwachen und in einer für Nutzer nicht nachvollziehbaren Weise scheinbare und wirkliche Urheberrechtsverletzungen zu unterdrücken.
Nehmen wir nur mal ein Beispiel, Focus Online und DPA. Ich habe eure sehr durchschaubare Propaganda mit einer vorsätzlich falschen und verunglimpfenden, da kriminalisierenden Behauptung hier im Alarmknopf zitiert. Das ist bereits eine Urheberrechtsverletzung. Die Dokumentation dieser… sorry… unsäglichen Lügenpropagandaschmiererei durch eine Contentindustrie, der durch den Verlust ihres Oligopols auf eine Infrastruktur zur Anfertigung von Kopien ihr Geschäftsmodell dahinschwindet, ist allerdings ohne Zitate nicht möglich. Das hier eingangs wiedergegebene Zitat einer DPA-Meldung könnte also bereits dazu führen, dass diese Website von Zugangsprovidern vorauseilend unsichtbar gemacht wird. Welche Auswirkungen ein solches Verschwinden von Inhalten auf die Möglichkeiten zur Meinungsbildung und damit zur politischen Willensbildung hat, brauche ich hoffentlich nicht weiter auszuführen.
Mag man eingestehen, dass Zitate in einem gewissen Rahmen noch möglich sein sollen, so geht es aber gleich weiter. Ein Zitat, dass ich nicht mit einer Quellenangabe belegen kann, ist wertlos. Ich könnte mir das Zitat genausogut einfach ausdenken. Beim Belegen von Druckwerken habe die bibliographischen Angaben zur Verfügung, die die verwendete Quelle so genau wie möglich dokumentieren. Im Web bliebe mir nur der Hyperlink auf eine Resource, die außerhalb meiner eigenen redaktionellen Verantwortung liegt und sowohl verändert werden kann als auch völlig verschwinden kann. Die Erfahrung lehrt mich dabei, dass gerade auf den Websites der Contentindustrie (TV-Sender, Zeitschriften und Zeitungen) Inhalte ohne Hinweis nachträglich geändert oder auch einmal völlig entfernt werden, so dass die Verwendung eines Zitates aus solcher Quelle erfordert, dass ich die Quelle archiviere. Ich verwende hier zu diesem Zweck WebCite, ein Archivierungsdienst, der nicht nur mir den Beleg eines Zitates gestattet, sondern zum Beispiel wissenschaftliches Arbeiten mit Internetquellen überhaupt erst ermöglicht. Nun ist das Angebot von WebCite — im Lichte des gegenwärtigen Rechtes betrachtet — eine reine Urheberrechtsverletzung; es wird eine Kopie eines im Web veröffentlichten Werkes angelegt, dauerhaft archiviert und im Web zur Verfügung gestellt.
Dieser in EU-Fischereiausschuss klandestin beschlossene Irrsinn namens ACTA könnte leicht zur Folge haben, dass Dienste wie WebCite gesperrt werden. Sowohl wissenschaftliche Arbeiten als auch allgemeine Dokumentationen könnten dann ihre Zitate aus Webresourcen nicht länger zuverlässig mit Quellen belegen. Es könnte also — und das ist nur ein einziges Beispiel — dazu kommen, dass wissenschaftliche Arbeiten und allgemeine Dokumentationen sich nicht mehr des riesigen Inhaltsschatzes aus dem Internet bedienen können. Eine riesige Sammlung von kollektivem Wissen würde aus dem ernsthaften Diskurs verschwinden. Und das nur, weil die Lobbyisten der Contentindustrie mit recht künstlichen Regulierungen des Internet einen längst technisch überwundenen Zustand mit gesetzgeberischer Gewalt wiederherstellen wollen, in dem eine kleine gesellschaftliche Minderheit über die Produktionsmittel zur Anfertigung von Kopien verfügt.
Welche gesellschaftlichen Folgen diese Fortschrittsverhinderung haben kann, ist an diesem kleinen Beispiel hoffentlich deutlich geworden.
Das Herunterladen von Filmen und Musik freilich, das Nutzen der billigen und allgegenwärtig gewordenen technischen Möglichkeit zur Anfertigung von Kopien, es wird sich freilich nicht ohne willkürliche, entrechtende, kriminalisierende und fortschrittsverhindernde Gewalt in Form einseitiger und absurder Gesetzgebungsverfahren und/oder internationaler „Abkommen“ unterdrücken lassen — schön an allen Menschen vorbei, denen der Fortschritt der letzten Jahre eine spürbare Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen gewährt hat. Ganz so, als hätte man damals die Kutschenbauer retten wollen, indem man Autos verbietet oder ihre Nutzung so strikt reglementiert, dass es für die Mehrzahl der Menschen einem Verbote gleich kommt.
„Schön“, wie die Contentindustrie mit so durchschaubaren Propagandalügen erkennen lässt, dass sie den Fortschritt hasst und sich in diesem Hass gegen die Menschen stellt, denen sie doch etwas verkaufen will. Damit es auch jeder bemerken kann, und damit auch jeder die richtigen persönlichen Schlüsse daraus ziehen kann.
Nachtrag 27. Februar 11:44 Uhr
Auch RP Online verarscht ihre Leser erklärt ihren Lesern die Motive der Demonstranten:
[…] Die Aktivisten fürchten, dass bei jedem heruntergeladenen Film gleich ihre Daten weitergegeben werden und ihnen saftige Strafen drohen.
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