Kommt diese „geschlossene Anstalt“ denn niemals an ihr Ende?
Kommentar in Form eines Offenen Briefes
Werter leistungsschutzrechtgeschützter Qualitätsjournalist,
ich weiß nicht, ob sie sich das vorstellen können: RSS als offener Standard für die maschinenlesbare Anforderung von aktualisierten Inhalten in Websites existiert völlig unabhängig davon, ob Google dafür einen Dienst anbietet oder nicht.
Wie ich eben gerade beim Blick in den Quelltext der Website der Zeitung, die sie für ihr unqualifiziertes Geschmiere hoffentlich nicht zu hoch entlohnt, bemerkt habe, bietet auch diese Zeitung einen RSS-Feed für ihre Leser an. Sie kommt nicht auf die gnadenlos dumme Idee, diesen Service einzustellen, weil Google jetzt, wie sie das so schön und so lächerlich schreiben, damit beginnt, das „offene Internet“ auszuknipsen. Das wäre auch ausgesprochen dumm, denn es gibt neben diesem Angebot von Google, dass ihnen in ihrer sie leider nicht vom Schreiben abhaltenden Unwissenheit die wohl einzige bekannte Nutzungsform von RSS-Feeds offeriert hat, noch eine ganze Menge weiterer Software, die ausgesprochen nützlich ist, weil sie die tägliche Lektüre durch Aufbereitung von RSS-Feeds erleichtert.
Facebook gehört übrigens nicht dazu, wie sie mit Leichtigkeit herausbekommen könnten, wenn sie sich auch für das Thema interessierten, über das sie schreiben. Dafür kann es jeder bessere Mailclient, die eine oder andere Webanwendung und auch eine Menge spezialisierter Programme und Browser-Plugins.
Aber so etwas muss man als „Redakteur im Ressort Digital“ wohl nicht wissen. Genau so wenig, wie man wissen muss, dass RSS kein Internet-Protokoll, sondern ein XML-Dokumenttyp ist und dass RSS-Feeds in diesem Dateiformat über das HTT-Protokoll abgerufen werden.
Denn im „Ressort Digital“ spielt die Digitaltechnik und das Wissen darum keine Rolle. Und Google, Facebook und das ebenfalls im weiteren Artikel benannte Twitter sind der Horizont des Internet, wenn es dort etwas nicht gibt, dann gibt es das nirgends. Weltbilder entstehen eben im Kopfe, und wenn der Kopf nicht so viel weiß, wird es halt ein bisserl eng auf der darin abgebildeten Welt. Dieses Internet, mit dem sie, Herr Biermann, sich beschäftigen, könnte übrigens ein gutes Mittel gegen diese Enge im Kopfe sein. Fangen sie doch gleich mal mit dem Wikipedia-Artikel zu RSS an.
Soll ich ihnen, Herr Biermann, mal erzählen, was wirklich zum Ende des offenen Internet führt, wenn man darunter eine technisches Netzwerk von Computern versteht, das den einzigen Nutzen hat, Menschen zusammenzubringen? Nein, interessiert sie nicht? Weil sie ihr „journalistisches“ Thema generell nicht interessiert? Ich sags ihnen trotzdem, Herr Tintenkleckser¹ Biermann: Das so genannte „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ hat dieses Potenzial für Deutschland. Was nützt nämlich die beste und segensreichste Technik, wenn mit klandestiner Lobbyarbeit ein juristischer Rahmen geschaffen wird, der natürliche Nutzungsformen dieser Technik kriminalisiert und zum nicht mehr tragbaren Risiko für die Menschen macht? Sehen sie, nichts. Eine öffentlich zugängliche Aufbereitung von RSS-Feeds — zum Beispiel auch der ihrer Zeitungswebsite — zu einem Webangebot wird unter den Maßgaben dieses „Rechtes“ kriminalisiert.
Ach, das ragt zu weit in ihre eigene Tintenkleckserei¹ ihre eigene schreibende Tätigkeit hinein? Und ist deshalb und nur deshalb etwas völlig anderes? Deshalb stürzen sie sich lieber auf das böse Google, das das offene Internet abschaltet?
Na gut. Tun sie das ruhig und führen sie sich wie ein Idiot¹ so auf! So wird wenigstens jedem Wissendem — also ungefähr jedem aufgeschlossenen Menschen unter 35 Jahren und zudem noch einer Menge älterer Menschen — klar, dass mies recherchierte Texte ohne die Spur wirklicher Sachkenntnis mit der Autorität des „Journalismus“ oder gar „Qualitätsjournalismus“ in einer Zeitung abgedruckt oder in einer Zeitungswebsite publiziert werden können. Und das vermutlich nicht nur im „Ressort Digital“, sondern in jedem verdammten Ressort.
Und diese Klarheit ist doch mal ein guter Anfang für die poltische Bildung. Oder können sie mir vielleicht nur einen einzigen Grund nennen, weshalb man annehmen sollte, dass Texte zu anderen Themen in ihrem Schmierblatt besser recherchiert und kenntnisreicher geschrieben wären? Mir fällt jedenfalls keiner ein.
Ihr solchen Bullshit nicht mehr ertragender
Nachtwächter
Nachtrag 24. Juni 2013: Dieser Text wurde vor über drei Monaten geschrieben, also deutlich bevor Gerüchte über Facebooks Pläne einer eigenen Aufbereitung von Nachrichten bekannt geworden sind.
Quelle des Screenshots: Internet
Fußnoten
¹Die durchgestrichenen Texte habe ich gegen weniger ruppige Formulierungen ausgetauscht, um den von Herrn Biermann als beinahe beleidigend empfundenen Charakter des Textes etwas zu entschärfen. Näheres zum Hintergrund dieser Entscheidung lässt sich in den Kommentaren nachlesen.