Tauschbörse
Stellvertretend für viele „qualitätsjournalistische“ Schundwerke, die solche Texte direkt aus dem NITF-Ticker in den redaktionellen Teil ihrer Druckwerke und Websites übernehmen, hier nur ein einziger Screenshot des gegenwärtigen netzblinden Unfugs, der in die Gehirne der Zuleser gestanzt werden soll:
Quelle des Screenshots: T-Online.de
Kommentar
Schon an dieser Schlagzeile ist so viel falsch und vorsätzlich falsche Eindrücke erweckend, dass ich den Artikel nicht mehr lesen mag. Sie ist eine gezielte Dummhaltung von bislang Unwissenden und Propaganda gegen das Internet selbst.
Zunächst zum Wort „Tauschbörse“
„Tausch…“ — Es gibt keinen „Tausch“ im gewöhnlichen Sinn des Wortes im Internet. Da sagt niemand „Ich habe zwei Hosen, du hast zwei Jacken, komm, ich geb dir eine Hose und du gibst mir eine Jacke dafür zurück, so hat keiner von uns einen Mangel“. Das ist auch gar nicht nötig. Digitale Güter sind keine knappe Ware, mit der man irgendeinen Handel betreiben könnte. Es gibt immer genug von ihnen, weil sie beliebig verlustfrei kopierbar sind. Es handelt sich bei dem, was im Wort „Tauschbörse“ als „Tausch“ bezeichnet wird, um die Anfertigung von Kopien. Die „Tauschbörse“ ist etwas, was besser als der „Replikator“ aus dem Star-Trek-Universum bezeichnet werden sollte; eine technische Vorrichtung, die jedem Mangel an digitalen Gütern mit geringem Aufwand an Geld und Energie abhelfen kann. Auf diesem Hintergrund ist übrigens jede Kriminalisierung von so genannten „Tauschbörsen“ durch die Contentindustrie (die bislang mit ihren technischen Vorrichtungen ein Oligopol zur industriellen Anfertigung von Werkkopien bildete) nichts weiter als eine Kriminalisierung von Technik, die einen Mangel abhilft, und zwar durch Leute, die diesen Mangel aufrechterhalten wollen, um objektiv überteuerte digitale Güter verkaufen zu können und damit Reibach zu machen.
„…Börse“ — Nach dem langen Absatz zum Thema „Tausch“ ist auch klargeworden, dass dabei auch nicht wie an einer Börse ein Preis oder Wert eines digitalen Gutes ausgehandelt wird. Das Bild der „Börse“ ist so falsch wie das Bild einer Orange auf einer Packung mit Bonbons, deren Geschmack mit „naturidentischen Aromastoffen“ produziert wird. Das heißt: Es ist so vorsätzlich falsch; es ist also eine Lüge, mit der Menschen psychisch manipuliert werden sollen, damit sie sich nicht mithilfe ihres Verstandes mit einem Thema auseinandersetzen. Das Wort ist ein dermaßen weitab der Wirklichkeit des damit Beschriebenen liegendes sprachliches Konzept, dass der Fehler darin jedem auffallen muss, der etwas über die Dinge weiß, über die er schreibt und spricht.
Und nun zu IsoHunt
IsoHunt ist nicht einmal eine so genannte „Tauschbörse“ gewesen. Es gab bei IsoHunt keine einzige Datei zu holen. Es gab nur Links, also Verweise auf andere Dateien im offen zugänglichen Internet. Also so etwas wie dieser Link, der den Alarmknopf jetzt auch nicht zur „Tauschbörse“ macht.
Diese Links lagen in einer Datenbank vor und konnten nach beliebigen Begriffen durchsucht werden.
IsoHunt war eine Suchmaschine für Torrents. Es handelte sich um eine Suchmaschine, die gegenüber den Inhalten der aufgefundenen Ergebnisse neutral war — also, um es mit etwas anderen Worten zu sagen, damit es auch deutlich wird, um eine unzensierte Suchmaschine.
Was das von „Qualitätsjournalisten“ so referenzierte und in Volksverdummung umgewandelte Urteil aus dem Dezember 2009, dass (auch von Suchmaschinen gefundene) Links zu Urheberrechtsverstößen ein Geschäftsmodell und eine Anstiftung zu Straftaten sind, wirklich bedeutet, ist also: In den Vereinigten Staaten von Amerika ist es durch Richterrecht kriminalisiert worden, eine den Inhalten gegenüber neutrale, also unzensierte, Suchmaschine zu betreiben. Eine rechtssichere Suchmaschine in den Vereinigten Staaten von Amerika darf nicht den Inhalten gegenüber neutral sein, sondern muss bestimmte Inhalte ausblenden — und dabei wird in der Praxis mit einer erschreckenden Willkür vorgegangen, die einen beliebigen Missbrauch des Zensurprivileges durch Inhaber so genannten „Geistigen Eigentums“ nicht nur denkbar, sondern sogar wahrscheinlich macht. Im Gegensatz zum soeben verlinkten Vorgang bei Heise Online werden die meisten derartigen Eingriffe in die Suchergebnisse von niemanden bemerkt werden, weil sie nur marginale Websites betreffen.
Aber solche „Kleinigkeiten“ sind BRD-Qualitätsjournalisten bei ihrem Propagandakampf gegen die „Kostenloskultur“ des Internet (natürlich nach anderthalb Jahrzehnten kostenlos verfügbar gemachter Publikationen im Internet) ja egal — solange die Strategie verfolgt wird, Suchmaschinen durch künstliche Kriminalisierung dieser Dienstleistung abzumelken¹. Dass so etwas in letzter Konsequenz Zensur bedeutet, ist ein „Kollateralschaden“, der dabei ausgerechnet von jenen in Kauf genommen wird, die ansonsten im Selbstbeweihräucherungsmodus das Hohelied von der „Freien Presse“ singen.
Fußnoten
¹Was von den Fantastilliarden zu halten ist, die Google angeblich der Presse durch Zweitverwertung und Reklameeinblendung wegnimmt, habe ich schon vor etwas über einem Jahr angemerkt. Daran hat sich nichts geändert. Es ist immer noch die gleiche Lüge, die immer noch von der gleichen Presse in die Gehirne gestanzt werden soll.
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