Wie Autokennzeichen
Die nach dem neuen Internetprotokoll IPv6 vergebenen Internetadressen haben das Potential, zu Autokennzeichen für jeden Internetnutzer zu werden und zwar unabhängig davon, wie viele Geräte der Einzelne im Internet verwendet.
Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Es ist gar nicht so schlimm, aber zwei Dinge nur…
Erstens finde ich es immer wieder erstaunlich, wann so ein staatlich besoldeter Datenschützer in der Bundesrepublik Deutschland blind ist: Wenn es um staatliche Datensammlungen geht. Eine besondere Kritik an der Vorratsdatenspeicherung oder sogar weitergehenden „Beglückungsideen“ der classe politique wird aus dem Munde eines solchen Datenschützers niemals hörbar. Dabei erfüllt die anlasslose Speicherung und Aufbawahrung aller Verbindungsdaten beabsichtigerweise genau die von Herrn Schaar angemäkelte Funktion, jeden Netznutzer persönlich identifizierbar zu machen. Dass es sich nicht — wie von den Lügnern aus der classe politique immer wieder behauptet wird — um eine Datensammlung handelt, auf die nur zur Verfolgung „schwerer“ (ein sehr dehnbares Wort) Straftaten zugegriffen wird, sollte Herrn Schaar bekannt sein. Oder ist an ihm bislang vorbeigegangen, dass entsprechende Auskünfte aus gespeicherten Datenbeständen der Provider schon für verhältnismäßig kleine Vergehen mit richterlicher Anordnung erzwungen werden, etwa fürs Weitergeben einer nicht-lizenzierten Kopie eines urheberrechtsgeschützten Werkes? Der Aufwand zum Zugriff auf derart gespeicherte Daten ist also nicht sehr hoch. Aber so etwas misst der Herr Datenschützer mit ganz anderem Maß als die kommenden technischen Entwicklungen — was wohl auch daran liegt, dass die classe politique, die sich mit solchen datenschützenden Feigenblättchen wie Herrn Schaar dekoriert, an eben diesem technischen Fortschritt keinen Anteil hat.
Zweitens finde ich als Mensch, der das Gras manchmal besonders laut wachsen hört, es sehr interessant, was Herr Schaar hier zum Vergleich genommen hat: Die Kfz-Kennzeichen. Diese werden seit fast zwanzig Jahren in einer maschinenlesbaren Schriftart ausgeführt. Wenn Herr Schaar in seiner Position als Bundesbeauftragter für das Datenschutzfeigenblatt und die Informationsfreiheit der Herrschenden und Besitzenden die Überwachungsmöglichkeit von IPv6 mit einem Kfz-Kennzeichen vergleicht, schwingt darin zwischen den Zeilen mit, dass ihm bereits von systematischen automatisierten Überwachungen der maschinenlesbaren Kennzeichen Kenntnis zuteil geworden ist, vielleicht sogar nach dem 11. März 2008. Wie sonst sollte er auf so einen Vergleich kommen? Dass er nicht auf die Idee kommt, dass maschinenlesbare Kfz-Kennzeichen eine Beeinträchtigung des Datenschutzes sein könnten, ist allerdings naheliegend. Hier handelt es sich schließlich nicht um allgemeinen technischen Fortschritt, sondern um eine Idee der bundesdeutschen classe politique, die 1994 Rechtskraft als Verordnung erhielt. Und so etwas ist für die Schaars dieser Welt, die vom Staate bezahlt werden, jenseits jeder Möglichkeit des Hinterfragens.
Kommentar verfassen