Dritte und vierte Stunde: Internet
In der Gruppe der 14- bis 24-Jährigen sind 2,4 Prozent internetabhängig. Bei 13 Prozent gilt das Verhalten als problematisch. Daran ist aber nicht das Internet schuld. Das Netz ist weder gut noch böse. Es ist ein Instrument wie ein Fernseher oder ein Buch […]
Zunächst sind die Eltern für diese Interneterziehung verantwortlich. Doch heute, im Jahr 2011, gibt es grob zusammengefasst eben diese zwei Generationen: online und offline. Und leider zeigt sich diese Grenze besonders deutlich zwischen Jugendlichen im Schulalter und ihren Eltern […]
Weil viele Familien zerrüttet sind, die nötige Netz-Bildung vielen Erwachsenen fehlt und Ganztagsschulen zum Normalfall geworden sind, ist also der Schulunterricht gefragt.
Kommentar von Manuel Bewarder in der Berliner Morgenpost
Kommentar
Die Eltern sind nicht dazu imstande, ihren Kindern eine vernünftige Nutzung von Medien — es gibt gewiss mehr Menschen mit pathologischem Fernsehkonsum als Menschen mit pathologischer Internetnutzung — beizubiegen, und deshalb soll es jetzt die Schule richten. Eine tolle Idee ist das!
Sie erscheint mir auch so neu, diese tolle Idee. Denn die Schule muss ja so viele Kompetenzen vermitteln, und sie tut das mit so überragendem Erfolg. Nur ein paar Beispielchen aus der Praxis der bundesdeutschen Totalverschulung:
- Die Schule soll den Menschen die wegen ihrer vorwiegend analytischen Grammatik sehr einfach zu beherrschende englische Sprache vermitteln und unterrichtet diese über viele Jahre hinweg. Die Menschen in der Bundesrepublik, die dazu imstande sind, sich in englischer Sprache auszudrücken, sie sind dennoch eine — übrigens dank des Internet und des davon gegebenen Ansporns zum autodidaktischen Lernen stetig wachsende — Minderheit.
- Die Schule soll anstelle der Eltern sexuelle Aufklärung leisten und behandelt das Thema in schulischer Weise mit Querschnittszeichnungen, Informationen über Verhütungsmittel und anschließenden bewerteten Leistungskontrollen. Rund 16 Prozent der Schwangerschaften in der Bundesrepublik sind — trotz allgemein verfügbarer, relativ sicherer Verhütungsmittel — so ungewollt, dass es zu einem Schwangerschaftsabbruch kommt; die medizinische und kriminologische Indikation für einen Abort tritt dahinter deutlich zurück. Es ist davon auszugehen, dass ein gewisser Teil ungewollter Schwangerschaften nicht zu einem Abbruch führt, dass das Problem also eher größer ist.
- Die Schule soll in den naturwissenschaftlichen Fächern einen Einblick in das naturwissenschaftliche Denken und Vorgehen geben, und sie erfüllt diesen Auftrag mit unbrauchbaren Büchern, geistloser Ödnis und anschließenden bewerteten Leistungskontrollen. Dennoch werden in der Bundesrepublik im Jahr rund 400 Millionen Euro durch apothekenpflichtige, quacksalberische Scheinmedizin erwirtschaftet, deren Nutzlosigkeit jedem Menschen, der kein wissenschaftlicher Analphabet ist, unmittelbar auffallen müsste; und 65 Prozent der Bevölkerung gehören zu den Kunden von Quacksalbern und fragwürdigen „Heilern“ ohne besondere Qualifikation*.
- Die Schule soll im Biologieunterricht über die Risiken von Drogen aufklären und sie erfüllt diesen Auftrag mit… ach, ich wiederhole mich. Dennoch ist der Alkoholismus ein erhebliches Problem in der Bundesrepublik, das übrigens keine Erscheinung in einer Minderheit ist, sondern mitten in der Gesellschaft und ihrer vielen Rituale steht. Wer die letzte Aussage nicht glaubt, muss nur einmal auf einer Geburtstagsfeier oder bei einem vergleichbaren Anlass versuchen, einen Abend lang keine alkoholhaltigen Getränke zu trinken und kann sich über die vielen Fragen und die teilweise aufdringlichen Versuche, ihn zum Mittrinken zu überreden, wundern.
Die Beispiele ließen sich beliebig erweitern, um das zu zeigen, was in meinen Augen fest steht: Die Schule versagt, wenn dort Lehrer in ihrer Tätigkeit den Folgen menschlicher und gesellschaftlicher Missstände begegnen sollen. Bei einer Betrachtung der Situation des berufsmäßigen Lehrers, der für mehrere hundert unreife, heranwachsende Menschen — und damit Individuuen — eine Bezugsperson abgeben soll, welche die nachteiligen Folgen eines beschädigten oder aufgelösten sozialen Umfeldes auffängt, indem er dieses beschädigte oder aufgelöste Umfeld ersetzt, zeigt sich die Unmöglichkeit einer solchen Forderung. Dies würde ein individuelles, auf persönlicher Beziehung beruhendes Aufeinander-Eingehen erfordern, das den Lehrer in seiner Situation überfordert und im besten Fall nur in Einzelfällen, also durch willkürliche Bevorzugung bestimmter Schüler, zu leisten ist.
Aber einmal davon abgesehen, dass irgendwelche Autoren aus dem Bildungsbürgertum immer wieder mit idiotischer Vehemenz und entgegen allen leicht erkennbaren Fakten die Auffassung vertreten, dass die Schule die Antwort auf alle möglichen Probleme sei und zudem Bildung vermittele, sollte sich Herr Bewarder einmal eine ganz einfache Frage stellen: Wie soll ein Lehrer — der zumeist ebenfalls aus der „Generation Offline“ stammt — eigentlich trotz viel schwierigerer Bedingungen den Heranwachsenden die Kompetenz und Selbstverantwortung im Umgang mit dem Internet vermitteln, wenn im gleichen Kommentar eingeräumt wird, dass die Eltern aus der „Generation Offline“ trotz günstigerer Bedingungen daran scheitern?
Diese einfache Frage reicht bereits aus, um den Unsinn in dieser Idee zu enthüllen.
Aber Herr Bewarder hat sich mit diesem leicht durchschaubaren Unsinn der Aufgabe entledigt, einmal mehr in einem Presseprodukt von großen Gefahren des Internet zu schreiben, um die Menschen zu verunsichern und zu verängstigen. Er hat eine Scheinlösung postuliert, aber nicht einmal die Frage aufgeworfen, ob es für Sucht weitere Ursachen neben der Verfügbarkeit eines Suchtmittels geben könnte. Seine Scheinlösung ist unsinnig, hat aber den Anstrich von Sachlichkeit und überzeugt jenen Anteil der Menschen, der von der Journaille darin geschult wurde, andere für sich denken zu lassen. Ihre einzige Funktion ist es, den postulierten Anteil von 2,4 Prozent „Internetabhängigen“ unter den jungen Menschen** für die reflektierende Denken noch unangreifbarer zu machen, indem er als Fakt hingestellt wird, der schnelles Handeln erfordert. Dass Herr Bewarder hingegen kein Problem mit der medizinisch und sozial viel zerstörerischeren Alkoholsucht sieht, die für zwei Prozent der Todesfälle in der Bundesrepublik unmittelbar — also durch „Totsaufen“ — verantwortlich ist und deren mittelbarer Schaden kaum noch erfassbar, aber riesengroß ist, mag auch an den Werbekunden des Zeitungsproduktes liegen, für das Herr Bewarder schreibt. „Das Internet“ gehört jedenfall nicht zu ihnen, wie könnte es auch…
*Die auf EsoWatch gegebenen Zahlen zum Umsatz der Alternativmedizin sind in dieser Betrachtung nicht brauchbar, weil hier pharmazeutisch durchaus wirksame Naturheilmittel mit offensichtlicher Quacksalberei in einer Zahl zusammengefasst wurden. Sie zeigen allerdings dennoch, dass das Problem größer ist, als es bei der Betrachtung eines Teilbereiches der Kurpfuscherei erscheint. So etwas zu erkennen wäre übrigens die Medienkompetenz, die nicht nur fürs Internet, sondern für jedes Medium erforderlich ist, aber im Rahmen der derzeitigen Beschulung der Kinder nicht wirksam vermittelt werden kann. Denn hierfür müsste etwas geschult werden, was in der derzeitigen Frontalbeschulung der Heranwachsenden mit allen Mitteln unterdrückt wird: Eigenständiges Denken beim Umgang mit Quellen. Stattdessen werden in den Schulen Bücher aufgeschlagen, und was in diesen Büchern steht, hat niemals hinterfragt zu werden, weil es stimmt. Ein großer Teil der Dummheit vieler Menschen hat seine Wurzeln in einer Schule, die eigentlich den Geist schulen sollte.
**Die ständige Verwechslung von Abhängigkeit und Sucht in den Massenmedien ist noch ein ganz anderes Thema. Viele Menschen sind inzwischen auch deshalb „vom Internet abhängig“, weil das Auftreten im Internet zu ihrem täglichen Broterwerb geworden ist. Diese werden hier wohl kaum gemeint sein, obwohl sie eine erhebliche Zeit ihres Lebens mit diesem Medium verbringen müssen. Desweiteren ist Abhängigkeit eine ganz gewöhnliche Bedingung des Daseins eines sozialen Wesens in biologischer Form, und niemand sieht ein Problem darin, dass Menschen von Trinkwasser oder zwischenmenschlichen Kontakten abhängig sind. Sucht ist ein pathologisches Verhalten, keine Abhängigkeit. Die Verwechslung dieser Begriffe vernebelt das Denken.
28. September 2011 um 16:45
Wen man bei Schule an Bildung denkt, hat man, meiner Meinung nach, eine sehr romantische Vorstellung von der Massenerziehung.
Die Massenerziehung wurde nur ersonnen, damit man die dummen Landeier für die Fabriken der Bonzen tauglich machen konnte und so ist es heute noch!
In erster Linie geht es bei Schule um das Züchten von Arbeitsdrohnen und Konsumsklaven für die Industrie – unabhängig davon welchen nutzen der Einzelne aus seiner Schulzeit zieht.
Und wenn man dann auch noch von Bildung spricht, wenn an Schulen die Lüge und Religion des Menschen gemachten Klimawandels den Kindern
ins Hirn getrümmertbeigebracht wird, dann lebt man in der zwar normalen, aber vom Wahn und vom Bösen geprägten Realität der Gehirnwäsche und Propaganda.28. September 2011 um 17:03
Ratgeber: Alles, was Sie über Internetsucht wissen müssen
28. September 2011 um 22:15
Dummer Löschheini wieder. Den fehlerhaften Link lässt er durch, den korrigierten nicht tztz
28. September 2011 um 22:19
Drecksteil! 😉
29. September 2011 um 00:15
Ratgeber: Alles, was Sie über Internetsucht wissen müssen
(sry – mein Fehler, der kaputte Link)
28. September 2011 um 22:18
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