Sie reden vom Netz wie Blinde vom Licht

Deshalb Internetstasi

Es ist kaum zu fassen. Jörg Ziercke kann tatsächlich etwas Richtiges sagen:

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, hat vor zu viel Sorglosigkeit beim Umgang mit dem Internet gewarnt. Viele Menschen hätten zum Beispiel kein Virenschutzprogramm, Firmen hätten keine Firewall – da sei noch einiges zu tun, sagte Ziercke am Freitag im Hörfunksender HR-Info. Internetnutzer müssten sich bewusst sein, dass man angegriffen werden könne.

Der BKA-Chef betonte, die Zeiten, in denen Computerfreaks zum Spaß Internetseiten aus der Garage heraus hackten, seien definitiv vorbei. „Inzwischen reden wir über organisierte Kriminalität“. […]

Kaum ein Wort daran, das nicht wahr wäre — ich würde bestenfalls noch hinzufügen, dass viel zu viele Menschen mit dem Lieblingsbetriebssystem der Internet-Kriminellen, mit Microsoft Windows, im Internet unterwegs sind.

Hätte Jörg Ziercke an dieser Stelle aufgehört zu reden, ja, er wäre nicht hier gelandet. Er hat aber leider weitergeredet:

[…] Deswegen müsse es eine neue Regelung zur Vorratsdatenspeicherung geben.

Klar, mit einer verdachtslosen Totalüberwachung des Internet findet man Leute aus der organisierten Internet-Kriminalität. Die kommen ja niemals auf die Idee, Proxyserver zu verwenden oder ihre kriminellen Attacken über Botnetze zu machen, so dass sie kaum ermittelbar sind. Und die verdachtslose Totalüberwachung des Internet ist gar nicht gegen eher marginale Verstöße gerichtet und entspricht gar nicht den Bedürfnissen der Rechteverwertungsindustrie, die sich jetzt schon darauf freut, dass sie sich reichlich aus dieser Datensammlung bedienen kann. Großes Kino, Herr Ziercke, da reden sie endlich wieder wie gewohnt.

Aber wenn sie der organisierten Kriminalität im Internet den Kampf ansagen wollen, Herr Ziercke, denn haben sie mich durchaus auf ihrer Seite. Fangen sie doch bitte gleich mit diesen Abzock-Betrügern an. Ich glaube, dass gewerbsmäßiger Betrug mit fünfeinhalb Millionen Opfern und einem angerichteten Schaden von mindestens 50 Millionen Euro (untere Grenze) durchaus mal ein Anlass wäre, dafür zu sorgen, dass die Betrüger an einen Ort verfrachtet werden, an dem sie keinen Schaden mehr anrichten können. Dafür brauchen sie, Herr Ziercke, übrigens auch keine Vorratsdatenspeicherung. Die in betrügerischer Absicht gegründeten GmbH lassen sie bequem über das Handelsregister ermitteln, die Bankkonten werden selbstverständlich unter Vorlage eines Personalausweises eröffnet und die Gehilfen der Betrüger können ebenfalls offen auftreten. Da die gegenwärtige Gesetzeslage leider kaum Handhabe gegen die Gehilfen in diesem gewerbsmäßigen Betrug bietet, würde ich ihrer gewichtigen Forderung nach wirksamen Maßnahmen des Gesetzgebers nur zu gern mit meinem zageren Stimmchen zustimmen.

Aber nein, Herr Ziercke, sie bauen halt lieber eine Stasi 2.0 mit auf, statt sich um die Verbrechensbekämpfung zu kümmern.

Eine Antwort

  1. Pingback: Bürgerrechtsschonende Vorratsdatenspeicherung « Alarmknopf

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